Koloskopie-Screening ab 50. Altersjahr

  • k -- Imperiale TF, Wagner DR, Lin CY et al. Risk of advanced proximal neoplasms in asymptomatic adults according to the distal colorectal findings. N Engl J Med 2000 (20. Juli); 343: 169-74 [Link]
  • Kommentar: Dominique H. Criblez
  • infomed screen Jahrgang 4 (2000) , Nummer 8
    Publikationsdatum: 1. September 2000
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Studienziele
Der Stellenwert der Koloskopie für ein Kolorektalkrebs- Screening und die klinische Bedeutung eines im distalen Kolon gelegenen Polypen sind noch nicht bekannt. In den beiden vorliegenden Kohortenstudien wurde diesen zwei Fragen nachgegangen.

Methoden
In der ersten Studie wurden an 13 amerikanischen Behandlungszentren zwischen 1994 und 1997 Koloskopien zur Ermittlung der Prävalenz und Lokalisation von polypoiden Veränderungen im Kolon durchgeführt. Untersucht wurde auch, ob distale Läsionen auf proximale Neoplasien schliessen lassen. Die Untersuchten waren zwischen 50 und 75 Jahre alt und asymptomatisch. Folgende Kolonläsionen wurden erfasst: Adenome von mindestens 10 mm Durchmesser, zottige Adenome, Adenome mit höherem Dysplasiegrad, invasiver Krebs. In der zweiten Studie wurde gezielt das Risiko einer fortgeschrittenen proximalen Neoplasie bei mindestens 50jährigen asymptomatischen Personen mit distalen Polypen im Vergleich zum Risiko bei solchen ohne distale Polypen bestimmt. Hier wurden die folgenden Läsionen erfasst: villöse Polypen, Polypen mit hochgradiger Dysplasie oder Krebs. Diese Leute liessen sich zwischen Herbst 1995 bis Ende 1998 im Rahmen eines Gesundheitsprogramms ihres Arbeitgebers erstmals koloskopisch untersuchen.

Ergebnisse
In der ersten Studie wurde bei 3‘121 eine komplette Kolonuntersuchung bis zum Zökum durchgeführt. Das Durchschnittsalter betrug rund 63 Jahre, rund 97% waren Männer. Die Koloskopie zeigte bei 38% der Untersuchten eine oder mehrere Läsionen: bei 8% ein mindestens 10 mm messendes oder ein zottiges Adenom, bei 2% ein Adenom mit höhergradiger Dysplasie und bei 1% ein invasives Karzinom. Von 1’765 Personen, die distal der linken Kolonflexur keine Polypen aufwiesen, hatten 3% fortgeschrittene proximale Neoplasien. Personen mit Adenomen im distalen Kolon wiesen mit grösserer Wahrscheinlichkeit auch fortgeschrittene proximale Läsionen auf als solche ohne distale Adenome. Bei 52% der 128 Untersuchten mit fortgeschrittenen proximalen Läsionen fanden sich jedoch keine distalen Adenome.

In der zweiten Studie konnte bei 97% der 1‘994 Untersuchten eine Koloskopie bis zum Zökum durchgeführt werden. 59% der Untersuchten waren Männer. 3% (n=61) wiesen fortgeschrittene Läsionen im distalen Kolon auf, 5 davon mit einem Krebs, und 2% (n=50) hatten fortgeschrittene proximale Veränderungen, 7 davon mit einem Krebs. 23 Personen mit fortgeschrittenen proximalen Läsionen hatten keine distalen Polypen. Die Prävalenz fortgeschrittener Neoplasien bei den Untersuchten ohne distale Polypen betrug 2% (23 von 1’564; 95% CI: 0,9 bis 21%). Bei den Personen mit distalen hyperplastischen Polypen, mit distalen tubulären Adenomen und mit fortgeschrittenen distalen Polypen betrug die Prävalenz von fortgeschrittenen proximalen Läsionen 4% (8 von 168) bzw. 12% (7 von 61). Das relative Risiko für fortgeschrittene proximale Veränderungen betrug 2,6 für solche mit distalen hyperplastischen Polypen und 4,0 für solche mit distalen tubulären Adenomen sowie 6,7 für Personen mit fortgeschrittenen distalen Polypen im Vergleich zu denjenigen ohne distale Polypen. Ein höheres Lebensalter und männliches Geschlecht waren mit einem erhöhten Risiko für fortgeschrittene proximale Neoplasien verbunden. Das relative Risiko betrug 1,3 für je 5 Jahre Lebensalter und 3,3 für Männer.

Schlussfolgerungen
Mit einem Koloskopie-Screening können bei asymptomatischen Erwachsenen fortgeschrittene Neoplasien im Dickdarm erkannt werden; viele davon würden nicht entdeckt werden, wenn lediglich eine Sigmoidoskopie durchgeführt würde. Personen ab 50 Jahren, welche trotz Polypen im distalen Kolon symptomlos sind, haben eine grössere Wahrscheinlichkeit für fortgeschrittene proximale Neoplasien als solche ohne distale Polypen. Wird das Koloskopie-Screening nur bei Personen mit distalen Polypen durchgeführt, bleiben etwa 50% fortgeschrittene proximale Neubildungen unentdeckt. (TW)

Diese Studien zeigen, dass die Screening-Koloskopie im Vergleich zur blossen Sigmoidoskopie (plus Koloskopie im Falle eines signifikanten Befundes) die Ausbeute an entdeckten Kolonneoplasien beträchtlich erhöht. Indessen steht der formale Beleg aus, dass sie der etablierten Strategie überlegen ist, die in den USA bisher offiziell propagiert wurde (jährlicher Test auf okkultes Blut im Stuhl ab dem 50. Altersjahr, kombiniert mit flexibler Sigmoidoskopie alle 5 Jahre; Koloskopie im Falle eines positiven Resultates), da Vergleichsstudien fehlen. Weitere offene Punkte betreffen die Kostenfrage sowie die ungenügende Akzeptanz auf Seiten der Patientinnen und Patienten. Trotzdem hat die Screening-Koloskopie aus verständlichen Gründen bereits Eingang in neuere Empfehlungen gefunden.1

Dominique H. Criblez

1    Rex DK, Johnson DA, Lieberman DA et al. Colorectal cancer prevention 2000:Screening recommendations of the American College of Gastroenterology. Am JGastroenterol 2000 (April); 95: 868-77

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