Volle Antikoagulation mit «Normal- Heparin» subkutan

  • r -- Kearon C, Ginsberg JS, Julian JA et al.; for the Fixed-Dose Heparin (FIDO) Investigators. Comparison of fixed-dose weight-adjusted unfractionated heparin and low-molecular-weight heparin for acute treatment of venous thromboembolism. JAMA 2006 (23. [Link]
  • Zusammenfassung: Markus Häusermann
  • Kommentar: Felix Mahler
  • infomed screen Jahrgang 10 (2006) , Nummer 10
    Publikationsdatum: 1. Oktober 2006
  • PDF-Download dieses Artikels (automatisch generiert)

Studienziele
Als Vorteil der teuren niedermolekularen Heparine gegenüber dem billigen unfraktionierten Heparin gilt die einfache subkutane Applikation und der Wegfall der Gerinnungskontrollen. In einer randomisierten Studie wurde untersucht, ob für die Akutbehandlung venöser Thromboembolien auch unfraktioniertes, subkutan appliziertes Heparin ohne Gerinnungskontrollen verwendet werden kann.

Methoden
697 Kranke mit nachgewiesener tiefer Venenthrombose oder Lungenembolie wurden überlappend mit oraler Antikoagulation während mindestens fünf Tagen entweder mit unfraktioniertem Heparin (z.B. Liquemin®, initial 333 E/kg, dann 12-stündlich 250 E/kg) oder mit einem niedermolekularen Heparin (Dalteparin = Fragmin® oder Enoxaparin = Clexane®, jeweils 12-stündlich 100 E/kg) behandelt. Ausgewertet wurde die Inzidenz symptomatischer Rezidiv- Thromboembolien im Zeitraum von 3 Monaten und diejenige schwerer Blutungen bis 10 Tage nach der Randomisierung. Bei 197 der mit Heparin behandelten Personen wurde zwischen 2 und 6 Tagen nach Therapiebeginn einmalig die aktivierte partielle Thromboplastinzeit (aPTT) gemessen, ohne dass die Resultate den Behandelnden bekannt gegeben wurden.

Ergebnisse
Unter Heparin traten Rezidiv-Thromboembolien bei 3,8% und schwere Blutungen bei 1,1% der Behandelten auf, unter niedermolekularem Heparin ereigneten sich 3,4% Rezidive und 1,4% schwere Blutungen. Diese Differenzen waren statistisch nicht signifikant. Für die Hypothese, dass unfraktioniertes Heparin mindestens gleich wirksam und sicher sei wie niedermolekulares Heparin, betrug die Irrtumswahrscheinlichkeit bloss 0,2% (p=0,002). Die aPTT unter Heparin war in 39 Fällen unterhalb, in 37 innerhalb und in 121 Fällen oberhalb des therapeutischen Bereiches für die intravenöse Heparintherapie. Die gemessenen aPTT-Werte standen aber in keinerlei Beziehung zu Rezidiv-Thromboembolien oder Blutungen.

Schlussfolgerungen
Unfraktioniertes Heparin kann bei venöser Thromboembolie ebenso gut wie niedermolekulares Heparin in gewichtsadaptierter Dosierung ohne Anpassung an Gerinnungswerte subkutan appliziert werden.

Zusammengefasst von Markus Häusermann

Seit einiger Zeit wissen wir, dass Kranke mit tiefen Venenthrombosen oder Lungenembolien nicht unbedingt hospitalisiert und immobilisiert werden müssen, sondern ambulant mit subkutanen Heparininjektionen behandelt werden können. Diese Therapie wird mit niedermolekularem Heparin durchgeführt während mindestens 5 Tagen nach dem thrombotischen Ereignis bis die gleichzeitig begonnene orale Antikoagulation während 2 Tagen im therapeutischen Bereich liegt. Die Arbeit der Gruppe Kearon ist von erfrischender Praxisnähe, weil sie eine eigentlich naheliegende einfachere und billigere Therapievariante als die gebräuchliche prüft. Wohl deshalb ist sie auch nicht durch die Industrie gesponsert, die kein Interesse hat zu zeigen, dass man auch unfraktioniertes Heparin nicht monitorisieren muss und es trotzdem ebenso gut und sicher wirkt wie niedermolekulares Heparin. Beide Substanzklassen müssen nur gewichtsadaptiert dosiert werden. Die Anwendbarkeit von unfraktioniertem Heparin zur subkutanen Injektion würde zu einer Vereinfachung und Verbilligung der initialen Thrombosetherapie führen. Eine Schwalbe macht allerdings noch keinen Sommer: für eine sogenannte «level A recommendation» sollten mindestens 2 randomisierte kontrollierte Studien vorliegen. Leider ist auch die Zeit schon über diese lobenswerte Studie hinweggegangen, indem heute fast alle niedermolekularen Heparine nur noch 1-mal täglich injiziert werden müssen. In der Studie aber wurden beide Heparinklassen noch 2-mal täglich verabreicht. Wer möchte schon seine Patienten wegen ein paar Franken weniger 1-mal mehr stechen lassen? Also brauchen wir Geduld, um auf neue, dem heutigen Komfort entsprechende Untersuchungen durch Forschende mit viel Idealismus zu warten oder auf wirklichen wirtschaftlichen Druck.

Felix Mahler

Standpunkte und Meinungen
  • Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
infomed-screen 10 -- No. 10
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
Volle Antikoagulation mit «Normal- Heparin» subkutan ( 2006)