Avanafil

Avanafil (Spedra®) wird zur Therapie der erektilen Dysfunktion empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Avanafil ist wie Sildenafil (Viagra® u.a.), Tadalafil (Cialis®) und Vardenafil (Levitra® u.a.) ein Hemmer des Phosphodiesterase-Typs 5 (PDE-5). Phosphodiesterasen, von denen elf Unterformen bekannt sind und die in vielen Geweben vorkommen, inaktivieren durch Phosphorsäureester-Spaltung zyklische Monophosphate. In der glatten Muskulatur des Corpus cavernosum verhindert die Hemmung der PDE-5 den Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP), das bei sexueller Stimulation gebildet wird und über eine Vasodilatation die Erektion fördert. Unter den PDE-5-Hemmern weist Avanafil die deutlichste PDE-5-Selektivität auf.(1)

Pharmakokinetik

Nach Einnahme von Avanafil ist innerhalb von 30 bis 45 Minuten der Plasmaspitzenwert erreicht. Die Resorption wird durch eine fettreiche Mahlzeit reduziert. In Tierversuchen war die Bioverfügbarkeit relativ gering (bis zu 30%); genaue Daten beim Menschen fehlen. Avanafil wird hauptsächlich durch CYP3A4 abgebaut; in geringerem Mass sind auch CYP2C-Isoenzyme beteiligt.

Die beiden wichtigsten Metaboliten sind M4 und M16; M4 trägt ungefähr 4% zur pharmakologischen Wirkung von Avanafil bei, während M16 inaktiv ist. Die terminale Halbwertszeit von Avanafil bewegt sich zwischen 6 und 17 Stunden. Die endgültige Ausscheidung findet mehrheitlich über den Stuhl statt. Eine leicht- bis mittelgradige Verminderung der Leber- oder Nierenfunktion verändert die Pharmakokinetik nicht wesentlich.(2)

Klinische Studien

Avanafil wurde in mehreren kontrollierten Studien bei Männern geprüft, die seit mindestens 6 Monaten an einer erektilen Dysfunktion litten.

In einer einfachblinden, placebokontrollierten Phase-II-Studie (Studie TA-01; n=80) verglich man Avanafil (50, 100 oder 200 mg) im Crossover-Verfahren mit Sildenafil (50 mg). Die Teilnehmer liessen sich per Video sexuell stimulieren, wonach das Eintreten und die Dauer der Penisversteifung mit Hilfe des sogenannten RigiScan-Gerätes objektiviert wurden. Dabei zeigte sich, dass die Wirkung von Avanafil rascher einsetzt als bei Sildenafil, diejenige von Sildenafil aber länger anhält.(3)

Von den Phase-III-Studien sind vier in vollständiger Form publiziert. In diesen Untersuchungen wurde Avanafil 12 Wochen lang doppelblind mit Placebo verglichen. Jeweils 30 Minuten vor geplantem Geschlechtsverkehr war das Studienmedikament einzunehmen. Zur Beurteilung der Wirkung dienten primär zwei Messinstrumente, einerseits das «International Index of Erectile Function Questionnaire» (IIEF), wo die Erektionsfähigkeit mit Punkten bewertet wird, andererseits das «Sexual Encounter Profile» (SEP), wo anzugeben ist, ob die Erektion für die Penetration und bis zur Beendigung des Geschlechtsakts ausreicht.

In der ersten Studie (n=200) liess sich die IIEF-Punktezahl mit der niedrigeren Avanafil-Dosis (100 mg) von 15,2 auf 23,7 steigern, mit der höheren (200 mg) von 14,1 auf 22,9, mit Placebo dagegen nur von 14,5 auf 18, was als signifikanter Unterschied zu werten war.(4)

In der zweiten Untersuchung (Studie TA-301; n=622) wurde Avanafil in drei Dosen getestet (50, 100 oder 200 mg). Mit der 50-mg-Dosis liess sich die durchschnittliche Quote der erfolgreichen Penetrationen von 45 auf 64% und der Anteil der zu Ende geführten Geschlechtsakte von 13 auf 41% steigern; mit der 100-mg-Dosis betrugen diese Prozentsätze 47/74% bzw. 14/57%, mit der 200-mg-Dosis 48/77% bzw. 12/57% und mit Placebo 47/54% bzw. 13/27%. Auch die IIEF-Punktezahl verbesserte sich mit Avanafil (in dosisabhängiger Weise) signifikant besser als mit Placebo.(5)

Für die dritte und vierte Untersuchung wurden Männer rekrutiert, bei denen die erektile Dysfunktion eine spezifische Ursache hatte: die Studie TA-302 (n=379) befasste sich mit Männern, die an einem Diabetes mellitus erkrankt waren,(6) und die Studie TA-303 (n=286) mit Patienten, bei denen wegen eines Karzinoms eine radikale Prostatektomie durchgeführt worden war.(7) In beiden Studien halfen die verwendeten Avanafil-Dosen von 100 oder 200 mg gegen die erektile Dysfunktion besser als Placebo.

686 Männer, die an den Studien TA-301 oder TA-302 teilgenommen hatten, beteiligten sich an einer offen geführten, 52 Wochen dauernden Langzeitstudie (als Studie TA-314 bezeichnet). Avanafil wurde primär in einer Dosis von 100 mg verordnet. Auf Wunsch konnte diese Dosis im Verlauf verdoppelt oder halbiert werden (zur Verbesserung der Wirkung oder der Verträglichkeit); eine Dosiserhöhung auf 200 mg wurde von drei Vierteln der Teilnehmer vorgenommen, eine Dosisreduktion auf 50 mg von einigen wenigen Individuen. Wie diese Studie zeigte, bleibt die durch Avanafil erzielte Steigerung der Erektionsfähigkeit auch längerfristig erhalten.(8)

In einer doppelblinden Phase-IV-Studie (Studie TA-501; n=414) waren die Teilnehmer angehalten, nach Einnahme von Avanafil bereits binnen 15 Minuten einen Geschlechtsverkehr anzustreben. Zu Studienbeginn betrug der durchschnittliche Anteil an erfolgreich beendeten Geschlechtsakten 11%. Mit Avanafil liess sich dieser Prozentsatz auf 25% (mit 100 mg) bzw. 28% (mit 200 mg) steigern, mit Placebo lediglich auf 14%.(9)

Alle fünf erwähnten Phase-III/IV-Studien sind auch metaanalytisch zusammengefasst worden, womit sich untermauern liess, dass Avanafil die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Geschlechtsverkehrs signifikant erhöht. Für die 100-mg-Dosis betrug die «Odds Ratio» im Vergleich zu Placebo 2,51 (95% CI 1,85–3,41) und für die 200-mg-Dosis 2,87 (95% CI 2,23–3,69).(10)

Unerwünschte Wirkungen

Häufigste Nebenwirkungen, über die nach Anwendung von Avanafil geklagt wurde, waren Kopfschmerzen, Flush-Gefühl, Schwellung der Nasen- und Nebenhöhlenschleimhäute sowie Dyspepsie. Auch Übelkeit, Durchfall, Schwindel, Rücken- und Muskelschmerzen, Palpitationen und Infekte der oberen Luftwege wurden angegeben. In Einzelfällen wurde über Sehstörungen (Blausehen u.a.) und Priapismus berichtet.(11)

Weitere Nebenwirkungen, die allgemein unter einer Behandlung mit PDE-5-Hemmern auftreten, sind Hypotonie, kardiovaskuläre Ereignisse bei Patienten mit einer vorbestehenden Herz-Kreislauf-Erkrankung, Hörverminderung und eine anteriore ischämische Optikusneuropathie.(1)

Interaktionen

CYP3A4-Hemmer bremsen den Abbau von Avanafil, so dass die Avanafil-Dosis auf 50 mg/Tag begrenzt werden sollte; sind starke CYP3A4-Hemmer im Spiel, sollte auf Avanafil verzichtet werden. Ferner ist Avanafil wie alle PDE-5-Hemmer kontraindiziert in Kombination mit Nitraten, Molsidomin (Corvaton®) und den als Rauschmittel («Poppers») missbrauchten Alkylnitriten. Zusammen mit Alphablockern besteht eine erhöhte Hypotonie-Gefahr.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Avanafil (Spedra®) wird als Tabletten zu 50, 100 und 200 mg angeboten. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt 100 mg; je nach Ansprechen und Verträglichkeit kann die Dosis bei den nachfolgenden Anwendungen verdoppelt oder halbiert werden. Avanafil soll ungefähr 30 Minuten vor dem Geschlechtsverkehr eingenommen werden, pro Tag maximal einmal. Die Wirkung von PDE-5-Hemmern ist abhängig von einer sexuellen Stimulation. Die Erfahrungen bei älteren Männern sind beschränkt (in den klinischen Studien lag das Durchschnittsalter bei knapp 60 Jahren). Bei einer leicht- bis mittelgradigen Leberinsuffizienz soll man die Erstdosis auf 50 mg beschränken. Im fortgeschrittenen Stadium einer Leber- oder Niereninsuffizienz ist Avanafil mangels Daten kontraindiziert. Ebenso dürfen Männer, die in den vorangegangenen 6 Monaten einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder eine lebensbedrohliche Arrhythmie erlitten haben, kein Avanafil erhalten; das gilt auch, wenn eine instabile Angina pectoris oder manifeste Herzinsuffizienz besteht.

Avanafil, das wie die anderen PDE-5-Hemmer von den Krankenkassen nicht vergütet wird, kostet pro Tablette CHF 20.75 (unabhängig von der Dosis). Tadalafil ist teurer (10 mg zu CHF 28.35), Vardenafil billiger (10 mg zu CHF 11.50); am günstigsten ist Sildenafil als Generikum (50 mg zu CHF 6.35).

Kommentar

Wie es scheint, ist Avanafil derjenige PDE-5-Hemmer, der am schnellsten resorbiert wird, so dass man einen raschen Wirkungseintritt erwarten kann. Allerdings wird man das kaum als grundsätzlichen Vorteil anführen können, da bei der Behandlung einer erektilen Dysfunktion von sehr individuellen Wünschen auszugehen ist. Nicht bestreiten lässt sich, dass Avanafil beim Preis – vermutlich eines der wichtigen Argumente, für welchen PDE-5-Hemmer man sich entscheidet – klar durchfällt.

PDE-5-Hemmer sind bislang nicht in überzeugendem Mass miteinander verglichen worden. Eine Netzwerk-Metaanalyse, die eine Zürcher Gruppe kürzlich veröffentlicht hat und in der bei den einzelnen PDE-5-Hemmern das Ausmass der Wirkung und die Häufigkeit der Nebenwirkungen gegeneinander abgewogen worden sind, erlaubt immerhin eine Einschätzung. In dieser Auswertung fällt Avanafil nicht mit hervorstechenden Merkmalen auf, sondern bewegt sich im Mittelfeld.(12)

Standpunkte und Meinungen

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Avanafil (18. Juli 2016)
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pharma-kritik, 38/No. 4
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