Symptomtherapie bei Demenzkranken

Definitionsgemäss ist Demenz charakterisiert durch eine Gedächtnisstörung, meist als Leitsymptom, und mindestens ein zusätzliches neuropsychologisches Symptom wie Störungen der Handlungsplanung, Agnosie, Apraxie oder Aphasie. Zudem besteht oft eine wesentliche Beeinträchtigung sozialer Funktionsbereiche, wie Beruf und Familie, mit deutlicher Verschlechterung gegenüber dem früheren Leistungsniveau. Verhaltensprobleme und psychische Beeinträchtigungen sind nicht Teil der Diagnose, kommen aber bei Demenzkranken sehr häufig vor.

Der Fokus dieses Artikels ist die symptomatische Behandlung der Verhaltensstörungen bei Demenz. Dieser Bereich wird in der Literatur verschieden bezeichnet: «Challenging Behaviour» (Herausforderndes Verhalten), «Behavioral and Psychological Symptoms of Dementia» (BPSD), «Neuropsychiatric Symptoms» (NPS). Die verschiedenen Begriffe sind unscharf definiert. In der Regel geht es grob um die nicht-kognitiven Symptome von Demenzkranken, die für die Betroffenen, die Angehörigen und die Betreuenden extrem schwierig sein und dadurch allerdings zur wichtigsten Herausforderung werden können. Nachfolgend wird vereinfacht immer der Begriff BPSD verwendet.

Einschneidende kognitive Einbussen können bei den Betroffenen sehr unterschiedliche emotionale Reaktionen hervorrufen und umfassen insbesondere Trauer, Angst, Verzweiflung, Depression, Wut, Rückzug, Verweigerung, Enthemmung, Unruhe, Gewalt/Aggression und Wahn. Daraus ergeben sich dann die Störungen des Verhaltens, von der Umgebung als inadäquat empfundene vielfältige Symptome, die sich kaum zuverlässig messen lassen und sich deshalb auch nicht gut als Basis der Beurteilung von therapeutischen Interventionen eignen.  Zudem ist Demenz nicht gleich Demenz. Alzheimer-Typ, vaskuläre Form und seltenere neurodegenerative Erkrankungen wie Lewy-Body- und frontotemporale Demenz unterscheiden sich zum Teil wesentlich. Für die Behandlung ist auch die Umgebung von Bedeutung (zu Hause, im Pflegeheim, Spital) und der Kenntnisstand bezüglich Demenz der beteiligten Angehörigen und Professionellen. Die Tatsache, dass die Situation der Demenzkranken kaum positive Perspektiven eröffnet, wird zweifellos auch von allen empfunden, die mit Demenzkranken zu tun haben. Die Komplexität der Problematik mit entsprechenden methodischen Schwierigkeiten spiegelt sich in der eingeschränkten Qualität eines Grossteils der aktuellen Studien wider. Grundsätzlich ist für die gängigen Behandlungen wenig Evidenz vorhanden und die Effektgrössen sind klein. Umso mehr verdienen allfällige unerwünschte Auswirkungen unsere Aufmerksamkeit. Das macht das Erarbeiten von Therapieempfehlungen schwierig. 

Vereinfacht lassen sich zwei Ziele bei der Behandlung von Verhaltensstörungen von Demenzkranken formulieren:

- Die Symptome bei den Betroffenen so erträglich wie möglich zu machen

- Die Belastung der Umgebung – Pflegepersonal, Angehörige, Mitpatientinnen und -patienten – einzuschränken

Dabei lassen sich Medikamente und besonders solche mit sedierenden Eigenschaften trotz bescheidener Evidenz selten ganz vermeiden. Vor Beginn einer Pharmakotherapie müssen jedoch alle möglichen ursächlichen Faktoren im körperlichen und im psychosozialen Bereich erfasst und wenn möglich eliminiert werden.

Auslösende/verschlimmernde Faktoren

Beim Neuauftreten oder einer Zunahme der BPSD bei bekannter Demenz ist primär an ein Delirium zu denken. Demenzkranke  sind diesbezüglich gefährdet. Jede akute Erkrankung (z.B. Harnwegsinfekt, Pneumonie) kann zur Dekompensation mit entsprechenden Verhaltensstörungen führen. Dehydratation, metabolische Entgleisung und – sehr häufig – Medikamentenüberdosierung oder -entzug können ursächlich beteiligt sein. Ein Schmerzproblem kann sich durch Verhaltensstörungen äussern, wenn der Patient nicht mehr in der Lage ist, den Schmerz wahrzunehmen und mitzuteilen.

Auch psychosoziale Faktoren wie eine neue Umgebung, Reizüberflutung (z.B. zu häufige Besuche), Missverständnisse, Überforderung, Unterforderung sowie ein unsachgemässer Umgang mit Demenzkranken können BPSD auslösen oder verstärken.

Die Behebung entsprechender Ursachen kann rasch zu einer Besserung führen.

Nicht-pharmakologische Behandlung

Vergleichsweise einfache Massnahmen sind geeignet, BPSD im Alltag zu reduzieren.(1) Einige dieser Möglichkeiten sind in der Tabelle 1 zusammengestellt.

Je nach Milieu kommen sodann verschiedene psychosoziale Interventionen in Frage. Die ausserordentliche Vielfalt der Symptome führt entsprechend zu ganz unterschiedlichen Ansätzen mit verschiedenem theoretischem Hintergrund: psychotherapeutisch, verhaltenstherapeutisch und milieutherapeutisch. Spezielle Interventionen sind kognitive Verfahren mit autobiographischer Arbeit, Ergotherapie zur Verbesserung der Alltagsfunktionen, Bewegungstherapie, Kunsttherapie (Musik, bildnerisches Gestalten,Tanz) zur Entspannung und Aktivierung, sensorische Verfahren wie «Snoezelen», eine multisensorische Anwendung beruhigender Stimuli, basale Stimulation und Validation.(2) Eine zuverlässige Wirksamkeit dieser Therapieansätze konnte allerdings bisher nur vereinzelt nachgewiesen werden.  

Entsprechend der Methodenvielfalt ist auch die praktische Durchführung der Interventionen sehr unterschiedlich. Sie sind in der Regel multimodal und einerseits auf die Kranken und ihre Symptomatik sowie ihre Umgebung ausgerichtet, andererseits auf Unterstützung und Schulung der Betreuenden (Angehörige oder Professionelle). Um der komplexen Situation individuell gerecht zu werden und doch allgemeine Aussagen machen zu können, wurde in den 90er-Jahren ein einleuchtender methodischer Ansatz vorgeschlagen:(3) Bestimmung des Hauptproblems im Einzelfall als Indikator, entsprechend Entwicklung eines individuellen Behandlungs-Pakets und Auswertung durch vergleichende Gesamtbeurteilung der standardisierten Veränderungen. Als Beispiel wird eine schwer demente Patientin vorgestellt, die ständig in den Spiegel schaut, das Kinn reibt und so eine infizierte Hautläsion unterhält. Nach Entfernen sämtlicher Spiegel sistiert das Verhalten und die Hautveränderungen heilen ab. Gemäss der sogenannten ABC-Regel nach Rapp geht es darum, festzustellen was dem Verhalten vorausgegangen ist (Antecedents), wie das Verhalten charakterisiert ist (Behaviour) und was die Konsequenzen des Verhaltens sind (Consequences).(4)
 
Auf dieser Forschungslinie beruht die «functional analysis» (FA), eine verhaltenstherapeutische Intervention, die versucht, subjektive Bedeutung oder Zweck des krankhaften Verhaltens zu ergründen und von dieser Hypothese aus individuelle Strategien zu entwickeln zur Verminderung der Symptomatik und/oder zur Entlastung der Angehörigen oder des Staffs. In einer kürzlich publizierten Metaanalyse der FA sind 14 von 18 randomisierten Studien multimodal, so dass der spezifische Effekt von FA nicht eruiert werden kann. Gesamthaft ergeben sich bei den Patientinnen und Patienten eine Reduktion der Frequenz, nicht aber des Ausmasses des Verhaltens, und bei den Betreuenden eine Milderung der Reaktion auf das Verhalten, nicht aber der Belastung.(5) In einer anderen Metaanalyse werden 23 randomisierte Studien bei Demenzkranken zu Hause analysiert.(6) Bei ganz verschiedenen, meist multimodalen Interventionen ergibt sich insgesamt eine Verbesserung der Symptome und eine Entlastung der Betreuenden, die von der Grössenordnung her der Wirkung pharmakologischer Behandlungen entspricht. Eine nicht ganz adäquate statistische Analyse und Datenpooling schränken die Aussagekraft allerdings etwas ein.

Bei der Validation nach Naomi Feil ist es das Grundprinzip, die Demenzkranken in ihrer Welt ernst zu nehmen, ihnen Wertschätzung entgegenzubringen, zu versuchen, sie zu verstehen und auf Grund der Kenntnis ihrer Lebenssituation und ihrer Biographie auf sie einzugehen und sie leiten zu können. Diese Methode ist auch in der Schweiz als Grundlage für den Umgang mit Demenzkranken weit verbreitet. Ge­mäss einer Cochrane-Analyse kann allerdings der Validation in der Behandlung des BPSD keine sichere Wirkung attestiert werden.(7) Hingegen kann der Verbrauch von Neuroleptika durch kompetente psychosoziale Betreuung wesentlich reduziert werden. Gemäss einer Untersuchung des «National Health Service» in England wurde zwischen 2009 und 2012 der Verbrauch von Neurolpetika bei Demenzkranken um die Hälfte reduziert, was zum Teil auf verbesserte psychosoziale Betreuung zurückzuführen ist.(8)

Zusammenfassend ergeben sich aus der Literatur der nicht-pharmakologischen Behandlung trotz ansatzweise positiven Resultaten keine Evidenz-basierten einfachen und  allgemeingültigen Handlungsanweisungen für den Umgang mit BPSD.

Aus der klinischen Erfahrung und den vorliegenden Daten lassen sich jedoch für die Praxis wichtige Prinzipien ableiten: 

- Ein adäquater Umgang mit Demenzkranken beugt BPSD vor. Ein initiales Assessment zur genauen Erfassung des Problems ist Voraussetzung für die Behandlung. Demenzkranke müssen in ihrer Situation ernst genommen werden. Konfrontation mit Defiziten ist in der Regel kontraproduktiv.

- Der Grund der Verhaltensstörung ist zu eruieren. Entsprechende individuelle Massnahmen sind zu treffen. Der Lebensraum der Kranken ist entsprechend ihren Bedürfnissen zu gestalten. 

- Angehörige und professionelle Betreuende sind miteinzubeziehen und zu unterstützen. Das Vermitteln von Wissen über die Krankheit und von reflektierter Erfahrung im Umgang mit den Kranken spielt dabei meines Erachtens eine grosse Rolle. Bei dem seit 2006 an der Geriatrischen Klinik St.Gallen durchgeführten Seminar für Angehörige von an Demenz erkrankten Menschen empfinden die Teilnehmenden Wissensvermittlung und Solidarität untereinander als zentral.

Die Schulung der Angehörigen und der Behandlungsteams im Umgang mit Demenzkranken und BPSD wird in den verschiedenen Institutionen in der Regel von Fachleuten aus dem psychosozialen Bereich durchgeführt. Die Umsetzung im praktischen Alltag geschieht aber durch die Personen, die primär für die Betreuung verantwortlich sind. Bei der immensen Vielfalt von Angeboten hat jede Institution eine Auswahl zu treffen und ein spezifisches Konzept für den Umgang mit Demenzkranken und BPSD zu entwickeln, um einer Verwirrung der Beteiligten vorzubeugen.

Pharmakologische Behandlung

Was allgemein für die medikamentöse Behandlung von alten Menschen gilt, hat für Demenzkranke eine ganz besondere Bedeutung. Das Prinzip «start low, go slow» ist unbedingt zu beachten. Polymorbidität führt zu Polypharmazie mit dem Risiko von Interaktionen. Sedation vermindert die kognitive Leistungsfähigkeit und erhöht die Sturzgefahr. Anticholinerge Nebenwirkungen können die Kognition verschlechtern und das Risiko eines Delirs erhöhen. Neuroleptika sind mit vielfältigen Nebenwirkungen verbunden. Aus diesen Gründen müssen psychotrope Medikamente bei Demenzkranken sparsam, aber konsequent, vorsichtig und auch möglichst kurzfristig eingesetzt werden. Allerdings ist es oft schwierig, nach dem Eintreten einer Besserung das Medikament wieder abzusetzen, weil das belastete professionelle Betreuungsteam und die Angehörigen eine erneute Verschlechterung befürchten.

Mit Medikamenten wird in der Regel angestrebt, einen grossen Teil der heterogenen BPSD zu beeinflussen. Die in den klinischen Studien verwendeten Skalen sind allerdings nur beschränkt fähig, die vielfältigen Symptome adäquat zu erfassen. Zwar steht eine Vielzahl mehr oder weniger gut validierter Instrumente zur Verfügung. In Bezug auf Inhalt und Gewichtung unterscheiden sich diese aber beträchtlich; die Studienresultate sind deshalb oft schwer vergleichbar. Das am häufigsten eingesetzte Instrument, das «Neuropsychiatric Inventory» (NPI), bildet die verschiedenen Symptombereiche (affektive und psychotische Symptome, Hyperaktivität und Apathie) zu einem guten Teil ab. 

Neuroleptika

Die klassischen Neuroleptika für die Behandlung von BPSD –  bei uns in erster Linie Haloperidol (Haldol®) –  wurden in den letzten Jahrzehnten sukzessive abgelöst von den sogenannten atypischen Neuroleptika, welche mit dem Ziel entwickelt wurden, gleichwertige Wirkstoffe mit weniger Nebenwirkungen zu generieren. Diese anfänglich geforderte, geförderte und sehr begrüsste Erneuerung hat sich nur zum Teil bewahrheitet. Wie in einer 2006 in dieser Zeitschrift publizierten Übersicht festgehalten, eignen sich atypische Neuroleptika nicht zur Routinebehandlung von BPSD.(9) Ihr Gesamtnutzen bezüglich Symptomlinderung ist klein, die unerwünschten Wirkungen zwar teilweise andersartig als bei den «klassischen», aber nicht minder relevant. Das Mortalitätsrisiko ist sowohl unter den klassischen wie auch unter den atypischen Neuroleptika substantiell erhöht (RR von 1,3 bis 2,0).(10) Zerebrovaskuläre Ereignisse treten vermehrt auf, unter den atypischen noch häufiger als unter den klassischen Neuroleptika. Die potenziellen extrapyramidalen, anticholinergen, orthostatischen, metabolischen und kardialen Nebenwirkungen sind individuell sehr unterschiedlich.

Dennoch werden diese Medikamente häufig eingesetzt, für die allgemeine Indikation «BPSD» fast ausschliesslich Risperidon (Risperdal®), Olanzapin (Zyprexa® u.a.) und Quetiapin (Seroquel® u.a.), die beiden letzteren im «off label use». Haloperidol dient hauptsächlich als Vergleichssubstanz; beim Delir ist seine Wirkung mit derjenigen der atypischen Neuroleptika vergleichbar, auch bezüglich Nebenwirkungen.(11) Haloperidol ist bei psychotischen Symptomen wirksamer als Placebo und kann auch bei Aggressivität wirksam sein.(12) Risperidon ist bei Aggressivität und Agitation nicht nur einem Placebo, sondern auch Olanzapin und Quetiapin überlegen; die Substanz zeigte auch in mehreren Studien eine antipsychotische Wirkung, Olanzapin und Quetiapin dagegen nicht.(10) Risperidon und Haloperidol sind somit die Neuroleptika, die bei BPSD am besten dokumentiert sind. Ohne Evidenzgrundlage hat sich Quetiapin in den letzten Jahren in der Schweiz zum Modemedikament für BPSD entwickelt. 

Bei Parkinson-Demenz und Lewy-Body-Demenz sind Neuroleptika kontraindiziert, da sie die Parkinsonsymptome verstärken und zu ausgeprägter Somnolenz führen können. Bei dopaminerger Psychose hat sich Clozapin (Leponex® u.a.) und in zweiter Linie Quetiapin bewährt.(13) Wegen des Agranulozytose-Risikos ist bei Clozapin eine engmaschige Überwachung des Blutbildes notwendig.

Antidepressiva

Zur Frage der Wirksamkeit von Antidepressiva bei BPSD liegen zwar nur relativ wenig Studienresultate vor. Zwei systematische Übersichten kommen jedoch zum Schluss, dass die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer Citalopram (Seropram® u.a.) und Sertralin (Zoloft® u.a.) sowie Trazodon (Trittico®) verschiedene BPSD vorteilhaft beeinflussen können.(14,15) Im Vergleich mit Neuroleptika zeigen diese Antidepressiva eine bessere Verträglichkeit.

Benzodiazepine und Verwandte

Obwohl Benzodiazepine und verwandte Medikamente wie Zolpidem (Stilnox® u.a.) bei Kranken mit BPSD häufig zum Einsatz gelangen, gibt es dazu praktisch keine Arbeiten, in denen ihre Wirksamkeit und Verträglichkeit bei Demenzkranken überprüft worden wären. Bei Angstzuständen und Schlafstörungen ist ein wohlüberlegter und zeitlich limitierter Einsatz dieser Mittel gewiss indiziert. Zu bedenken ist, dass sich die Sedation allenfalls nachteilig auswirkt und paradoxe Reaktionen nicht ungewöhnlich sind. Substanzen mit kurzer bis mittellanger Wirkungsdauer wie Oxazepam (Anxiolit®, Seresta®) sind längerwirkenden Mitteln  vorzuziehen.

Cholinesterasehemmer und Memantin 

Memantin (Axura®, Ebixa®), das für mittelschwere und schwere Alzheimer-Demenz zugelassen ist, wird nach klinischer Erfahrung eine günstige Wirkung auf Verhaltensstörungen zugeschrieben. Gemäss einer Metaanalyse kann in diesen Fällen eine klinisch relevante Wirkung auf Wahnerleben, Agitation und Aggression vermutet werden.(16) Die als Antidementiva zugelassenen Cholinesterasehemmer – Donepezil (Aricept® u.a.), Galantamin (Reminyl®) und Rivastigmin (Exelon®) – haben dagegen keine substantielle Wirkung auf BPSD.

Antikonvulsiva

Auf Grund von wenigen randomisierten Studien mit kleinen Fallzahlen gibt es Hinweise, dass Carbamazepin (Tegretol® u.a.) bei Agitation und Aggression eine gewisse Wirkung haben kann, auch nach Versagen von Neuroleptika, Valproat (Depakine® u.a.) hingegen nicht.(17)

Stimulantien

Apathie ist für die Betroffenen und Angehörigen ein sehr mühsames Symptom. Aus diesem Grund wurden zur Behandlung von BPSD auch Psychostimulantien wie Methylphenidat (Ritalin® u.a.) eingesetzt. Eine Übersicht mit Einschluss von nicht-kontrollierten Studien und Fallberichten ergibt keine Evidenz für die Wirkung von Methylphenidat und anderen Psychostimulantien.(18)

Insgesamt sind die Wirkungen der aufgeführten Medikamente auf die BPSD gering. Zum Teil kann eine Verbesserung von Symptomen oder Symptom-Clusters bewirkt werden. Statt den Neuroleptika Priorität zu geben, könnten mindestens teilweise Antidepressiva mit vergleichsweise guter Verträglichkeit eine erste Wahl darstellen. Eine substantielle Verbesserung der Alltagsfunktionen und der Lebensqualität wird jedoch selten erreicht. In Anbetracht der erheblichen Nebenwirkungen ergibt die Kosten-Nutzen Analyse insgesamt eine relativ schlechte Bilanz.

Schlussfolgerungen

Pharmakologische und nicht-pharmakologische Interventionen zur Behandlung von BPSD sind relativ wenig wirksam. Die Vermutung liegt nahe, dass eine Kombination der beiden Ansätze bessere Resultate bringen könnte. Für diese Fragestellung gibt es praktisch keine Untersuchungen. Aktuell wird in Holland an 14 spezialisierten Zentren ein umfassendes Behandlungsprogramm einschliesslich Psychopharmaka implementiert und evaluiert.(19) Ein Studiendesign, das randomisiert den differenziellen und kombinierten Einfluss der beiden Behandlungsmethoden angeht, findet sich jedoch nicht. Studien, in denen variable Kombinationen von verschiedenen pharmakologischen und nicht-pharmakologischen Interventionen prospektiv, randomisiert und kontrolliert untersucht werden, sind dringend nötig.

Wie einleitend erläutert, sind die Symptome von BPSD oft eine schwere Belastung für die Kranken, ihre Angehörigen und das Behandlungsteam. Die Tatsache, dass die Behandlungsmöglichkeiten beschränkt sind, macht hilflos und kann zu therapeutischen Überreaktionen führen. Zum Glück ist in der Praxis die Trennung von medikamentöser und psychosozialer Behandlung nicht so strikt wie in der Literatur. Im Gegenteil wird oft mit Umsicht an das Problem herangetreten, eine Analyse der Situation gemacht und vor dem Einsatz von Psychopharmaka werden primär nicht-pharmakologische Massnahmen getroffen.

Standpunkte und Meinungen

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Symptomtherapie bei Demenzkranken (15. Juli 2013)
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pharma-kritik, 35/No. 5
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