Langwirkende Betamimetika für Kinder
- Autor(en): Philipp A. Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 35
, PK890, Online-Artikel
Redaktionsschluss: 26. Februar 2013
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2013.890
Mini-Übersicht
In einer Übersichtsarbeit im Australian Prescriber wird zusammengefasst, was über die Anwendung langwirkender Betamimetika («long-acting beta(2) agonists», LABA) bei Kindern bekannt ist.1 Diese Medikamente werden Kindern mit Asthma häufig verschrieben.
Allgemein muss ja aufgrund der vorhandenen – vorwiegend bei Erwachsenen gewonnenen – Studiendaten angenommen werden, dass Betamimetika das Risiko von schweren Asthma-Exazerbationen erhöhen.2
Die Wirksamkeit und Verträglichkeit der Betamimetika wurde bei Kindern verhältnismässig wenig untersucht. Für Kinder unter 4 Jahren gibt es gar keine kontrollierten Daten.
Eine Übersicht in der Cochrane Library befasst sich mit der Wirksamkeit der Betamimetika bei kindlichem Asthma. Gemäss dieser Übersicht, die Daten von 5‘572 Kindern (aus 25 Studien) berücksichtigt, bewirken langwirkende Betamimetika keine signifikante Reduktion von Asthma-Exazerbationen. Die Betamimetika wurden in diesen Studien entweder mit Placebo (bei gleichbleibender inhalativer Kortikosteroid-Dosis) oder mit einer höheren inhalierten Steroiddosis verglichen. Die respiratorische Funktion, gemessen z.B. am «Peak Expiratory Flow» (PEF) , wurde durch die Zugabe der Betamimetika verbessert, auch im Vergleich mit einer höheren Kortikosteroiddosis.3
In einer anderen Cochrane-Übersicht wurde untersucht, ob es zwischen Kindern und Erwachsenen Unterschiede in der Wirksamkeit der Betamimetika gebe. Tatsächlich fand sich bei Jugendlichen und Erwachsenen eine etwas reduzierte Exazerbations-Rate, wenn langwirkende Betamimetika der inhalativen Steroidtherapie hinzugefügt wurden. Bei Kindern dagegen konnte keine solche Verbesserung gefunden werden; im Gegenteil, ein Trend zu schwereren Exazerbationen und Spitaleinweisungen wurde beobachtet.4
Eine weitere Übersicht diente der Analyse von Studien, in denen eine primäre Inhalationstherapie mit Kortikosteroiden allein mit einer Kombinationstherapie (Kortikosteroide + langwirkende Betamimetika) verglichen wurde. Hier lautet die allgemeine Schlussfolgerung, dass die Kombination nicht schon initial eingesetzt werden sollte, da sie Exazerbationen nicht besser als Kortikosteroide allein verhindert. Da zu dieser Fragestellung nur wenig Daten von Kindern vorliegen, ist jedoch dazu keine sichere Aussage möglich.5
Was die Verträglichkeit der Betamimetika anbelangt, weisen die erwähnten Cochrane-Reviews auf ein erhöhtes Risiko von schweren Exazerbationen und Spitaleinweisungen hin. Eine mögliche Erklärung für diese Probleme wäre in der Entwicklung einer Toleranz gegenüber kurzwirkenden Betamimetika zu sehen – die mit langwirkenden Substanzen behandelten Kindern würden nicht mehr adäquat auf die Akutbehandlung ansprechen. Dies wird von den Resultaten einer Studie gestützt, in der langwirkende Betamimetika mit dem Leukotrienantagonisten Montelukast (Singulair®) verglichen wurde. Untersucht wurden Kinder, die trotz einer inhalativen Kortikosteroid-Therapie anstrengungsabhängig Asthmaanfälle hatten. In dieser Studie führten die langwirkenden Betamimetika zu einer Abnahme der Wirkung kurzwirkender Betamimetika.6 Bekanntlich ist auch die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) zum Schluss gelangt, langwirkende Betamimetika sollten möglichst zurückhaltend eingesetzt werden.7
Vorgehen bei ungenügender Symptomkontrolle
Bevor die medikamentöse Behandlung bei ungenügender Kontrolle der Asthmasymptome intensiviert wird, ist noch an andere Faktoren zu denken, die ebenfalls für die anhaltenden Beschwerden verantwortlich sein können: Ist die Diagnose richtig? Wird die Behandlung korrekt und regelmässig angewandt?
Sind die Asthmasymptome unter einer durchschnittlichen Kortikosteroid-Dosis jedoch nicht genügend unter Kontrolle, so ergibt ein langwirkendes Betamimetikum ein vergleichsweise gutes Resultat. In einer randomisierten Studie erhielten 187 Kinder, die unter zweimal täglich 100 mcg Fluticason (Axotide®) symptomatisch geblieben waren, entweder eine höhere Fluticasondosis (zweimal 250 mcg) oder zweimal 50 mcg Salmeterol (Seretide®) oder 5 bis 10 mg Montelukast (die letzteren beiden Mittel zusätzlich zu den 100 mcg Fluticason). Dabei ergab sich in allen Gruppen eine Besserung, aber mit Salmeterol waren die Chancen einer Besserung besser. Im Einzelfall konnte aber auch die höhere Steroiddosis oder der Leukotrien-Antagonist wirksamer sein.8 Dies bedeutet, dass immer eine sorgfältige Überwachung des Therapieerfolgs nötig ist.
Die Empfehlungen des Autors lauten folgendermassen: In der Praxis sind alle drei Optionen (höhere Steroiddosis, langwirkendes Betamimetikum, Montelukast) in Betracht zu ziehen. Für Kinder mit einem Aktivitäts-induzierten Asthma soll der Leukotrien-Antagonist eingesetzt werden. In Anbetracht der fehlenden Daten ist bei Kindern unter 5 Jahren von langwirkenden Betamimetika abzuraten.
Literatur
- 1) van Asperen PP. Aust Prescr 2012; 35: 111-3
- 2) Jörger M, Kuhn M. pharma-kritik 2007; 29: 21-4
- 3) Ni Chroinin M et al. Cochrane Database Syst Rev 2009 ; CD007949
- 4) Ducharme FH et al. Cochrane Database Syst Rev 2010; CD005533
- 5) Ni Chroinin M et al. Cochrane Database Syst Rev 2009; CD005307
- 6) Fogel RB et al. Ann Allergy Asthma Immunol 2010 ; 104: 511-7
- 7) Chowdhury BA et al. N Engl J Med 2010; 362: 1169-71
- 8) Lemanske RFR et al. N Engl J Med 2010 ; 362 : 975-85
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
PK890
Verwandte Artikel
Gratisbuch bei einem Neuabo!
pharma-kritik abonnieren
-
Jahrgang 45 / 2023
Jahrgang 44 / 2022
Jahrgang 43 / 2021
Jahrgang 42 / 2020
Jahrgang 41 / 2019
Jahrgang 40 / 2018
Jahrgang 39 / 2017
Jahrgang 38 / 2016
Jahrgang 37 / 2015
Jahrgang 36 / 2014
Jahrgang 35 / 2013
Jahrgang 34 / 2012
Jahrgang 33 / 2011
Jahrgang 32 / 2010
Jahrgang 31 / 2009
Jahrgang 30 / 2008
Jahrgang 29 / 2007
Jahrgang 28 / 2006
Jahrgang 27 / 2005
Jahrgang 26 / 2004
Jahrgang 25 / 2003
Jahrgang 24 / 2002
Jahrgang 23 / 2001
Jahrgang 22 / 2000
Jahrgang 21 / 1999
Jahrgang 20 / 1998
Jahrgang 19 / 1997
Jahrgang 18 / 1996
Jahrgang 17 / 1995
Jahrgang 16 / 1994
Jahrgang 15 / 1993
Jahrgang 14 / 1992
Jahrgang 13 / 1991
Jahrgang 12 / 1990
Jahrgang 11 / 1989
Jahrgang 10 / 1988
Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.