Chinin bei Wadenkrämpfen?

In der Cochrane Library ist eine neue Meta-Analyse erschienen,in der 23 Studien (mit 1586 Teilnehmenden) zur Wirksamkeit von Chinin bei Waden- und anderen Muskelkrämpfen zusammengefasst werden. (1) Im Zeitraum von zwei Wochen reduzierte Chinin im Vergleich mit Placebo die Zahl der Muskelkrämpfe um 28%, die Krampfintensität um 10% und die Zahl der Tage mit Krämpfen um 20%. Unter Chinin wurden signifikant mehr gastro-intestinale Beschwerden beobachtet, schwerwiegende Nebenwirkungen kamen aber nicht vor. Die Autoren schliessen, es liege Evidenz mittelmässiger Qualität vor, wonach Chinin in einer Tagesdosis von 200 bis 500 mg Muskelkrämpfe reduzieren könne.

Kommentar

Es ist bemerkenswert, wie unterschiedlich der Nutzen von Chinin bei Muskelkrämpfen von verschiedenen Fachleuten beurteilt wird. Während das britische «Drug and Therapeutics Bulletin» erfreut feststellt, das Resultat dieser MetaAnalyse sei «ermutigend», (2) hat der amerikanische «Medical Letter» erst vor wenigen Wochen ausdrücklich auf die Gefahren von Chinin hingewiesen. (3) Gemäss den Angaben der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA) wurden vom April 2005 bis Oktober 2008 38 Fälle gefährlicher Chinin-Komplikationen (in erster Linie hämatologische Komplikationen,mit zwei Todesfällen) beobachtet – die meisten Behandelten hatten das Medikament wegen nächtlichen Muskelkrämpfen erhalten. (4) Nächtliche Wadenkrämpfe verschwinden oft mehr oder weniger spontan (können allerdings später erneut auftreten). Ich würde weiterhin davon abraten, das in der Schweiz erhältliche (und für die Malariabehandlung zugelassene) Chininpräparat bei Muskelkrämpfen einzusetzen, und gutartigere Therapien bevorzugen. (5) Gemäss der Schweizer Gesetzgebung dürfen chininhaltige Getränke maximal 80 mg Chinin pro Liter enthalten. Ob diese Mini-Dosis bei Muskelkrämpfen wirksam und verträglich ist, wissen wir nicht.

Standpunkte und Meinungen

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Chinin bei Wadenkrämpfen? (22. Februar 2011)
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pharma-kritik, 32/No. 10
PK808
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