Ceftobiprol

Ceftobiprol (Zevtera®) ist seit 2009 in der Schweiz zur Behandlung von komplizierten Haut- und Weichteilinfektionen zugelassen.

Chemie/Pharmakologie

Ceftobiprol, ein Pyrrolidinon-Cephalosporin, weist ein breites antimikrobielles Spektrum mit Aktivität gegen gram-positive, gram-negative und anaerobe Keime auf. Die Substanz wirkt bakterizid, indem sie Enzyme (sogen. Penicillin-bindende Proteine) hemmt und so den Aufbau der bakteriellen Zellwand schädigt. In vitro zeichnet sich Ceftobiprol durch seine Wirkung gegen Methicillin-resistente Staphylococcus-aureus- Stämme (MRSA) aus; es ist auch gegen Penicillin-resistente Pneumokokken, Vancomycin-resistente Enterokokken, Pseudomonas aeruginosa und weitere Problemkeime aktiv. Gegen multiresistente gram-negative Keime, die «extended-spectrum »-Beta-Laktamase, Carbapenemase oder Metallo-beta- Laktamase bilden, ist Ceftobiprol unwirksam.

Pharmakokinetik

Das Medikament wird als «Prodrug» – Ceftobiprol-Medocaril – intravenös verabreicht. Durch Plasma-Esterasen wird rasch das aktive Medikament freigesetzt, das «Prodrug» ist im Plasma und Urin nur kurzfristig nachweisbar. Ceftobiprol wird nur geringfügig in einen inaktiven Metaboliten umgewandelt. Es wird mit einer Halbwertszeit von etwa 3 Stunden fast vollständig unverändert durch glomeruläre Filtration über die Nieren ausgeschieden.(1)

Klinische Studien

Zu Ceftobiprol wurden bisher namentlich zwei doppelblinde Multizenter-Studien veröffentlicht. In der einen Studie wurde die Wirksamkeit bei Haut- und Weichteilinfektionen, die durch gram-positive Erreger verursacht waren, geprüft: 784 Personen mit Abszessen, Unfall- oder Operationswunden oder mit einem Erysipel erhielten je zur Hälfte Ceftobiprol (500 mg alle 12 Stunden) oder Vancomycin (Vancocin® u.a., 1 g alle 12 Stunden) als intravenöse Therapie. Von den 784 Teilnehmenden konnte aus den verschiedensten Gründen nur bei 559 Personen eine klinische Beurteilung vorgenommen werden (unter anderem wurden Behandelte ausgeschlossen, bei denen auch gramnegative Erreger nachgewiesen wurden). So fand sich in beiden Gruppen eine Heilungsrate von 93%. Berücksichtigt man alle Personen, die initial aufgenommen wurden («intention-totreat ») so ergab sich eine Heilungsrate von knapp 78%, ebenfalls in beiden Gruppen.(2) Die andere Studie wurde bei 828 Personen mit Haut- oder Weichteilinfekten (wovon knapp ein Drittel Fussinfektionen bei Diabetes) durchgeführt. Nach dem Zufall erhielt ein Drittel der Teilnehmenden Vancomycin (1 g alle 12 Stunden) + Ceftazidim (Fortam® u.a., 1 g alle 8 Stunden), die übrigen Ceftobiprol (500 mg alle 8 Stunden) + eine Placeboinfusion (alle 12 Stunden). Auch in dieser Studie konnte gemäss der Publikation nachgewiesen werden, dass Ceftobiprol der Vergleichsbehandlung nicht unterlegen war. Rund 90% der Personen, bei denen eine klinische Beurteilung vorgenommen werden konnte, wurden in beiden Gruppen geheilt. Die «intention-to-treat»-Analyse ergab Heilungsraten um 80%.(3)

Die Problematik dieser beiden Studien beruht darauf, dass diese Studien gemäss einer Überprüfung durch die amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) nicht korrekt durchgeführt wurden. Die FDA hat festgestellt, dass bei einem Drittel der Kliniken, in denen die Studien durchgeführt wurden, die Aufzeichnungen unzuverlässig oder unüberprüfbar waren.(4) Damit wird die Aussagekraft der beiden Studien grundsätzlich in Frage gestellt.

Unerwünschte Wirkungen

In den oben beschriebenen Studien beobachtete man unter Ceftobiprol sehr häufig Übelkeit und auch häufig Erbrechen. Häufig sind auch Geschmacksstörungen (Caramel-ähnlicher Geschmack), Durchfall, Kopfschmerzen und Reaktionen an der Infusionsstelle. Ferner werden beschrieben: Pilzinfektionen, allergische Reaktionen, Hyponatriämie, Dyspepsie, Anstieg der Leberenzyme, Exantheme.

Interaktionen

Bisher sind keine klinisch relevanten Interaktionen bekannt geworden. Ceftobiprol scheint die wichtigen Zytochrome nicht nennenswert zu beeinflussen.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Ceftobiprol (Zevtera®) ist in Durchstechflaschen mit 500 mg lyophilisiertem Pulver erhältlich. Daraus muss zuerst mit 10 ml Wasser für Injektionszwecke die Rekonstitutionsflüssigkeit hergestellt und anschliessend – wenn das Pulver vollständig aufgelöst ist – diese Lösung mit einer geeigneten Infusionslösung (250 ml) verdünnt werden. Es muss eine klare, leicht gelbliche Lösung entstehen. Die offiziell für Erwachsene empfohlene Dosis beträgt 500 mg alle 8 Stunden (intravenöse Infusion über 2 Stunden). Bei Niereninsuffizienz muss eine reduzierte Dosis verwendet werden. Die Anwendung bei Kindern, Jugendlichen, schwangeren und stillenden Frauen ist nicht untersucht. Das Präparat ist nicht kassenzulässig; eine Behandlung mit der erwähnten Dosis kostet 270 Franken pro Tag.

Kommentar

Dieses Präparat hat bereits eine – im Internet relativ ausführlich dokumentierte – «Leidensgeschichte» hinter sich. Nach der Ablehnung durch die FDA hat sich auch die europäische Arzneimittelbehörde gegen eine Zulassung ausgesprochen.(5) Offensichtlich ist es hier zu verhältnismässig schwerwiegenden Verstössen gegen die «good clinical practice» gekommen. Was wir bisher über Ceftobiprol wissen, lässt zudem nicht annehmen, man könnte ein vergleichbares therapeutisches Resultat nicht auch mit anderen Medikamenten erreichen. Ausserhalb von klinischen Studien sollte dieses Medikament deshalb vorläufig nicht eingesetzt werden.

Standpunkte und Meinungen

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Ceftobiprol (13. April 2010)
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pharma-kritik, 31/No. 13
PK699
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