Formoterol

Synopsis

Formoterol (Foradil®) wird als Aerosol zur Behandlung des Asthma bronchiale empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Formoterol ist ein inhalierbares b2-Sympathomimetikum. Seine chemische Struktur gleicht derjenigen anderer als Aerosol verwendeter Betamimetika. Diese Medikamente wirken antiasthmatisch, indem sie über eine Stimulation von b2-Rezeptoren an der glatten Muskulatur der Luftwege zu einer Bronchodilatation führen; wahrscheinlich hemmen sie auch die Freisetzung von Mediatoren, die in der Frühphase des Asthmas eine Rolle spielen, und verbessern die Zilienfunktion.
Formoterol ist ebenso b2-selektiv wie Salbutamol (Ventolin ® u.a.), erreicht jedoch seine Wirkung mit viel kleineren Dosen. Verglichen mit den bisher verfügbaren b2-Sympathomimetika zeichnet sich Formoterol durch eine längere Wirkungsdauer aus. Nach der Inhalation von Formoterol kann die Verbesserung der Sekundenkapazität (FEV1) über 12 Stunden anhalten, während bei Salbutamol nach 4 bis 6 Stunden keine bedeutsame Bronchodilatation mehr feststellbar ist.(1,2)

Pharmakokinetik

Pharmakokinetische Daten zu Formoterol findet man nur in Publikationen der Herstellerfirma, in denen unveröffentlichte Untersuchungen zusammengefasst sind. Nach therapeutischen Aerosol-Dosen ist Formoterol mit den verfügbaren Analysemethoden im Plasma nicht nachweisbar. Aufgrund von Untersuchungen, die zum Teil mit anderen Aerosolen durchgeführt wurden, können einige allgemeine Feststellungen gemacht werden: Nach der Inhalation eines Aerosols erreichen nur 5 bis 10% der verabreichten Aerosoldosis die Lunge. Die Hauptmenge bleibt im Rachenraum, wird geschluckt und gelangt in den Magen-Darm-Trakt, wo das Medikament resorbiert wird. Die Wirkung des Formoterol-Aerosols setzt binnen weniger Minuten ein und erreicht nach 1 bis 2 Stunden den Maximalwert.
Weitere Daten beruhen hauptsächlich auf Untersuchungen nach oraler Verabreichung von Formoterol: Die Plasmahalbwertszeit wird mit 2 bis 3 Stunden angegeben. In Anbetracht der Wirkungsdauer von rund 12 Stunden muss allerdings angenommen werden, dass die klinisch relevante Halbwertszeit deutlich länger ist. Einzelne Studien lassen vermuten, bei inhalativer Verabreichung sei die Wirkungsdauer länger als bei oraler Gabe. Ob dies zutrifft und auf welchen Mechanismen dies beruhen würde, ist nicht geklärt.
Formoterol wird grossenteils metabolisiert; weniger als 15% der unveränderten Substanz finden sich im Urin.

Klinische Studien

Im Rahmen klinischer Studien ist das Formoterol-Aerosol bei rund 2000 Personen getestet worden; darunter befanden sich auch etwa 200 Kinder mit Asthma. In Japan, wo seit 1986 eine orale Verabreichungsform von Formoterol erhältlich ist, sind wohl weiterreichende Erfahrungen gewonnen worden; diese Daten sind uns aber nicht zugänglich.
Die lange Wirkungsdauer von Formoterol ist in zahlreichen Doppelblindstudien dokumentiert worden. Viele dieser Studien betreffen die Verabreichung von Einzeldosen von 12 bis 48 mg und zeigen übereinstimmend eine broncho- dilatatorische Wirkung, die im Vergleich mit Salbutamol gleich rasch einsetzt, aber wesentlich länger (rund 12 Stunden lang) anhält.

Aussagekräftige Berichte über Studien, in denen Formoterol während einigen Wochen verabreicht wurde, sind bisher nur in kleiner Zahl vorhanden. In einer multizentrischen Doppelblindstudie erhielten 256 Patienten mit reversibler Atemwegsobstruktion während drei Monaten Formoterol (2mal 12 mg/Tag) oder Salbutamol (Ventolin®, 4mal 200 mg/Tag). Prüfte man eine bis zwei Stunden nach der Inhalation die Lungenfunktion, so liess sich zwischen den beiden Mitteln kein relevanter Unterschied feststellen. Wenn aber die letzte Inhalation bereits mehrere Stunden zurücklag (z.B. am frühen Morgen), mass man in der Formoterol-Gruppe eine signifikant höhere Atemstromstärke («Peak Expiratory Flow Rate») als in der Salbutamol- Gruppe. Unter Formoterol war auch die Zahl der Asthmaanfälle sowie der zusätzlich benötigten Aerosoldosen deutlich geringer. In der Formoterol-Gruppe stuften 76%, in der Salbutamol-Gruppe 50% der Behandelten die Wirksamkeit der Therapie als gut oder sehr gut ein.(3)

In zwei kleineren Doppelblindstudien wurde das Medikament bei 20 bzw. 16 Asthmapatienten im Crossover-Verfahren ebenfalls mit Salbutamol verglichen. Während je zwei oder vier Wochen wurden die maximale Atemstromstärke vor der Inhalation des Betamimetikums, die Zahl der neben der Grundtherapie zusätzlich notwendigen Aerosolstösse und das subjektive Befinden registriert. Die Wahl eines für Salbutamol inadäquat langen Dosierungsintervalls (alle 12 Stunden) reduziert den Wert der für Formoterol günstigen Studienresultate.(4,5)

Gemäss einem Kurzbericht hat sich Formoterol (2mal 12 mg/Tag) im Vergleich mit Terbutalin (Bricanyl®, 4mal 500 mg/Tag) als gleich gut wirksam und verträglich erwiesen.(6)
Interessant erscheint ein Doppelblindvergleich zwischen Formoterol und einem Theophyllin-Retardpräparat: 17 Personen mit nächtlichen Asthmabeschwerden erhielten während je einer Woche am Abend entweder Formoterol (24 mg) oder retardiertes Theophyllin (600 mg). Im Durchschnitt ergaben sich damit keine signifikanten Unterschiede zwischen den jeweils am Ende einer Behandlungsperiode überprüften Atemstromstärken; bei zwei Personen sanken aber unter Formoterol die nächtlichen Atemstromstärken massiv ab (um 53 bzw. 36%). Während der Behandlung mit Formoterol waren in der Nacht signifikant häufigere Zusatzinhalationen notwendig.(7)

Auch die langfristige Anwendung von Formoterol ist dokumentiert: In verschiedenen kleinen Doppelblindstudien und in einer offenen Studie mit über 200 Patienten wurde das Aerosol während eines ganzen Jahres verabreicht. Unter der chronischen Verabreichung (2mal 12 mg/Tag) ergab sich eine Abnahme der Atemwegswiderstände und eine Verbesserung der Sekundenkapazität.(8)

Unerwünschte Wirkungen

Formoterol kann dieselben unerwünschten Wirkungen auslösen wie andere b2-Sympathomimetika; die Nebenwirkungen sind auch etwa gleich häufig wie bei den Konkurrenzpräparaten. Die meisten unerwünschten Wirkungen hängen von der Dosis ab und sind eine direkte Folge der Stimulation von b1- oder b2-Rezeptoren.
Nach Inhalation von Formoterol beobachtete man in abnehmender Häufigkeit Tremor, Kopfschmerzen, Mundtrockenheit, Muskelkrämpfe, Herzklopfen, Schwindel und Husten. In der erwähnten offenen Langzeitstudie setzten 3,2% der Patienten das Präparat wegen unerwünschten Wirkungen ab.(8) Wie die anderen b2-Sympathomimetika kann Formoterol in hohen Dosen wahrscheinlich auch metabolische Störungen (Hypokaliämie, Hyperglykämie), eine Senkung des Sauerstoffpartialdrucks (pO2) oder einen paradoxen Bronchospasmus hervorrufen.
Die klinischen Studien liefern keine Hinweise, dass sich unter Formoterol eine nennenswerte Tachyphylaxie entwickelt. In einem Einzelfall ist es jedoch unter Formoterol nach Absetzen eines Steroid-Aerosols zu einer starken, subjektiv kaum bemerkten Verschlechterung der Atemfunktion gekommen.(9)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Formoterol (Foradil®) ist in Form eines Dosieraerosols erhältlich, das für 100 Hübe ausreicht; pro Aerosolstoss werden 12 mg Formoterol ausgesprüht. Das Präparat ist bei Zimmertemperatur nur drei Monate haltbar; es soll bis zum Verkauf im Kühlschrank gelagert werden. Formoterol ist ab 15. März 1991 kassenzulässig. Eine Inhalationsform, bei der keine Fluorkohlenwasserstoffe emittiert werden, ist zur Zeit nicht auf dem Markt.
Zur Langzeitprophylaxe asthmatischer Beschwerden empfiehlt die Herstellerfirma, morgens und abends je einen Aerosolstoss zu inhalieren. Das Medikament kann vom Alter von 4 Jahren an verwendet werden. Bei Bedarf können Erwachsene die erwähnte Dosis verdoppeln oder auch zwischendurch anwenden. Bei nächtlicher oder frühmorgendlicher Atemnot von Erwachsenen wird geraten, beim Zubettgehen 2 Aerosolstösse zu verabfolgen. Die Anwendung von Formoterol während der Schwangerschaft und Stillzeit ist nicht speziell geprüft worden; das Mittel wird der Schwangerschaftskategorie B zugeordnet. Formoterol gehört zu den teureren Bronchodilatatoren: eine niedrige Tagesdosis (2mal 12 mg) kostet ungefähr 1 Franken. Andere Präparate verursachen Tageskosten zwischen 45 Rappen (z.B. 6 Aerosolstösse Bricanyl®) und Fr. 1.25 (z.B. 3 Dosen Ventodisk®400).

Kommentar

Die wichtigste Eigenschaft von Formoterol (Foradil®) ist seine gegenüber anderen Betamimetika längere Wirkungsdauer. Im übrigen scheint sich das neue Medikament nicht nennenswert von Fenoterol (Berotec®), Salbutamol (Ventolin ®) oder Terbutalin (Bricanyl®) zu unterscheiden. Damit ist Formoterol in erster Linie für diejenigen Patienten attraktiv, die in den frühen Morgenstunden asthmatische Beschwerden haben. Für dieses Problem stand bis anhin praktisch nur die Behandlung mit retardiertem Theophyllin zur Verfügung. Es ist schade, dass Formoterol bisher offenbar erst in einer kleinen Studie mit einem Theophyllin-Retardpräparat verglichen worden ist.
Neue Studienergebnisse stellen jedoch den Nutzen einer routinemässigen Verabreichung von Betamimetika grundsätzlich in Frage (siehe das folgende Editorial!). Solange der Verdacht nicht ausgeräumt ist, dass regelmässig inhalierte b2-Sympathomimetika den Asthmaverlauf ungünstig zu beeinflussen vermögen, ist jedenfalls auch Formoterol mit besonderer Zurückhaltung zu verschreiben.

Literatur

  1. 1) Maesen FPV et al. Chest 1990; 97: 590-4
  2. 2) Clauzel AM. Lung 1990; 168 (Suppl): 71-5
  3. 3) Hekking PR et al. Lung 1990; 168 (Suppl): 76-82
  4. 4) Wallin A et al. Thorax 1990; 45: 259-61
  5. 5) Arvidsson P et al. Eur Respir J 1989; 2: 325-30
  6. 6) Rudolf M, Malins DR. Am J Respir Dis 1990; 141: A210
  7. 7) Schnabel D et al. In: Davies RJ, ed. Formoterol in asthma - clinical profile of a new long-acting inhaled b2-agonist. Toronto: Hogrefe and Huber, 1989: 23-8
  8. 8) Schultze-Werninghaus G. Lung 1990; 168 (Suppl): 83-9
  9. 9) Larsson S. Lung 1990; 168 (Suppl): 22-4

Standpunkte und Meinungen

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Formoterol (14. Januar 1991)
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pharma-kritik, 13/No. 1
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