Grippeprophylaxe

Übersicht

Einem grossen Teil der Bevölkerung ist kaum mehr bewusst, dass die Grippe auch heute noch zu den bedeutendsten und gefährlichsten Infektionskrankheiten gehört. Die Influenzaviren A und B führen jedes Jahr zu Erkrankungen bei 5 bis 10% der Erwachsenen und bei 20 bis 30% der Kinder; sie verursachen in der Schweiz jährlich 100'000 bis 300'000 Arztbesuche, 1'000 bis 5'000 Spitaleinweisungen und 400 bis 1'000, mehrheitlich ältere und chronisch kranke Personen betreffende Todesfälle. (1)

Influenzaepidemien werden in der nördlichen Hemisphäre jeweils zwischen Dezember und März, in der südlichen Hemisphäre zwischen Mai und August beobachtet. Sie dauern in der Regel 6 bis 8 Wochen. Das Influenzavirus wird durch Tröpfchen und direkten Kontakt von Mensch zu Mensch übertragen. Aufgrund der nur 1 bis 4 Tage betragenden Inkubationszeit erkranken jeweils viele Personen gleichzeitig an Grippe. Das Virus wird bereits vor Ausbruch der Erkrankung und danach während rund 5 Tagen ausgeschieden. Es kann auch in Hühnern, Enten und Schweinen überleben, ohne eine Erkrankung dieser Tiere hervorzurufen. Besonders in asiatischen Ländern, wo Mensch und Tier häufig auf engstem Raum zusammenleben, kann das Grippevirus so auch auf den Menschen übertragen werden. Dadurch wird die Entstehung neuer, potentiell gefährlicher Virusstämme begünstigt.

Durchschnittlich dreimal pro Jahrhundert, jedoch in unvorhersehbaren Abständen, treten genetisch veränderte, besonders virulente Subtypen des Influenzavirus A in Erscheinung, gegen die ein grosser Teil der Weltbevölkerung keine Immunität aufweist – es kommt zur Pandemie. Die WHO und die Mehrheit der Fachleute sind sich einig, mit einem erneuten pandemischen Auftreten der Influenza sei bereits in absehbarer Zeit zu rechnen. Man befürchtet, dass eine künftige Influenzapandemie weltweit bis zu 60 Millionen Todesopfer fordern könnte.

Unsere Möglichkeiten zur Eindämmung von Influenzaepidemien wurden in den letzten Jahren durch die Einführung der Neuraminidasehemmer und die Entwicklung neuer Impfstoffe erweitert, wobei ein im Jahr 2000 eingeführter intranasaler Influenzaimpfstoff bekanntlich bereits wieder aus dem Handel gezogen worden ist. Erkenntnisse aus Metaanalysen und klinischen Studien haben ferner dazu verholfen, den Stellenwert verschiedener mehr oder weniger spezifischer Präventionsmassnahmen genauer zu definieren.

Influenzaimpfung

Wirksamkeit

Eine Reihe von umfangreichen, zwischen 1985 und 1995 publizierten Fall-Kontroll- und Kohortenstudien, an denen insgesamt nahezu 150'000 ältere und chronisch kranke Leute beteiligt waren, hat gezeigt, dass die Influenzaimpfung eine Reduktion von Pneumonien um 45 bis 58%, von Hospitalisationen um rund 50% und eine Senkung der gesamten Mortalität um 45 bis 79% bewirkt.(2) Diese eindrucksvollen Zahlen wurden durch neuere, in ener Kohortenstudie erhobene Daten im wesentlichen bestätigt. In dieser Studie wurden während 6 Jahren jedes Jahr rund 20'000 über 65jährige Personen in ein Grippe-Impfprogramm aufgenommen. Die Impfrate betrug gut 60%. Es wurden drei Risikogruppen gebildet: Personen mit Herz- oder Lungenkrankheiten kamen in die Gruppe mit hohem Risiko (20% der Teilnehmenden), diejenigen mit anderen chronischen Krankheiten in die Gruppe mit mittlerem Risiko (10% der Teilnehmenden) und die übrigen in die Gruppe mit niedrigem Risiko (70% der Teilnehmenden). Bei den Geimpften trafen die primären Endpunkte – Hospitalisation wegen einer Grippepneumonie bzw. Tod – um 39% bzw. 50% seltener ein als bei den Ungeimpften, wobei alle Risikogruppen in ähnlichem Ausmass von der Impfung profitierten.(3)In mehreren Untersuchungen wurde nachgewiesen,dass auch das Kosten/Nutzen-Verhältnis der Grippeimpfung bei älteren und chronisch kranken Personen in der Regel vorteilhaft ausfällt.(4)

Eine Metaanalyse kam zum Schluss, dass auch gesunde, erwerbstätige Personen von der Influenzaimpfung profitieren können. Geimpfte Personen haben 29 bis 37% weniger Luftwegserkrankungen, deswegen 44% weniger Arztkonsultationen und einen durchschnittlich um 0,4 Tage geringeren Arbeitsausfall. Pro Impfung lassen sich – je nach den Impfkosten, der Übereinstimmung zwischen Impfvirus und Epidemievirus und dem Ausmass der Epidemie – bis zu 46 US$ einsparen, wenn die direkten und die indirekten Kosten einkalkuliert werden.(5)

Von besonderem Interesse ist die Frage, in welchem Ausmass eine Impfung des Personals von Spitälern und Pflegeinstitutionen zur Grippeprophylaxe bei den Hospitalisierten beiträgt. Zur Beantwortung dieser wichtigen Frage stehen erstaunlich wenig Daten zur Verfügung, die zudem nicht von allen Fachleuten übereinstimmend interpretiert werden.

Eine Gruppe aus Glasgow hat dazu zunächst eine «Pilotstudie» durchgeführt: In dieser wurde dem Personal einer nach dem Zufall ausgewählten Gruppe von Pflegeheimen die Impfung angeboten; in einer gleich grossen Zahl von Pflegeheimen erfolgte kein solches Angebot. In den Institutionen «mit» Impfung starben gesamthaft weniger Patientinnen und Patienten und es erkrankten auch weniger an Grippe als in den Heimen «ohne» Impfung des Personals.(6) In einer zwei Jahre später durchgeführten, sehr ähnlichen Studie liessen sich in der ersten Gruppe von Heimen 51%, in der zweiten Gruppe 5% des Personals gegen Grippe impfen. Die Zahl der Chronischkranken mit virologisch nachgewiesener Influenzainfektion war in beiden Gruppen ungefähr gleich. Es fand sich aber wiederum eine geringere Sterblichkeit in den Heimen «mit» Impfung: In der ersten Gruppe starben insgesamt 102 von 749 Personen (knapp 14%), in der zweiten 154 von 688 Personen (rund 22%). Dieser Unterschied ist jedoch statistisch nicht signifikant, wenn Alter, Geschlecht, der Grad der Pflegebedürftigkeit und der Impfstatus der Hospitalisierten mitberücksichtigt werden.(7)

Während viele Fachleute diese Resultate als genügenden Nachweis einer Wirksamkeit der Impfung des medizinischen Personals ansehen, unterstreichen andere, dass noch zu wenig gute Daten vorliegen.(8)

Unerwünschte Wirkungen

Abgesehen von lokalen Reaktionen und kurzdauernden grippalen Symptomen verursacht die Grippeimpfung kaum je unerwünschte Wirkungen. Vereinzelt werden systemische allergische Reaktionen beobachtet. Ein Zusammenhang mit dem Guillain-Barré-Syndrom ist umstritten. Ob der erwähnte intranasale Impfstoff für periphere Fazialisparesen verantwortlich gewesen sein könnte, wurde bisher nicht nachgewiesen. Für parenterale Impfstoffe gibt es jedenfalls keine Hinweise auf ein solches Problem.

Indikationen und Kontraindikationen

Die aktuellen Richtlinien des schweizerischen Bundesamtes für Gesundheit (BAG) gehen weniger weit als jene der amerikanischen Behörden, gemäss denen beinahe die Hälfte der Bevölkerung (z.B. alle über 50jährigen Personen und alle Frauen, deren zweites oder drittes Schwangerschaftstrimenon in die Grippezeit fällt) gegen Influenza geimpft werden sollte.(9)

Das BAG empfiehlt eine jährliche Grippeimpfung bei:(1)

- Personen im Alter von über 65 Jahren (kassenpflichtig)

- Kindern ab 6 Monaten und Erwachsenen mit mindestens einem der folgenden Risikofaktoren (kassenpflichtig): Herz- oder Lungenerkrankungen inkl. Asthma bronchiale, zystische Fibrose, Stoffwechselstörungen inkl. Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, Hämoglobinopathien, Immunsuppression inkl. HIV-Infektion

- Medizinisch tätigen Personen und Kontaktpersonen von Personen mit erhöhtem Risiko (nicht kassenpflichtig)

Die Influenzaimpfung ist kontraindiziert bei akuten fieberhaften Erkrankungen, bei Kindern unter 6 Monaten und bei Personen mit Allergie auf Hühnereiweiss. Schwangerschaft und Stillzeit stellen keine Kontraindikationen dar.

Impfrate

Gemäss Schätzungen aufgrund von Telefonumfragen und der Zahl der verkauften Impfdosen liessen sich in der Schweiz im Jahr 2000 etwa 14% der Gesamtbevölkerung und 48% der über 65jährigen Personen gegen Influenza impfen. Diese Impfraten werden als ungenügend eingestuft. Das BAG hofft, die Impfbereitschaft mit einer über mehrere Jahre laufenden Kampagne soweit verbessern zu können, dass 2005 mindestens 60% der über 65jährigen Personen, 70% der übrigen Risikopersonen und 70% des Medizinalpersonals gegen Grippe geimpft werden.(1) Eine Erhöhung der Impfrate würde nicht zuletzt auch zu einer Steigerung der jährlichen Impfstoffproduktion führen und damit indirekt einem (namentlich im Falle einer Pandemie zu befürchtenden) Impfstoffmangel entgegenwirken.

Impfstoffe

Grippeimpfstoffe werden als trivalent bezeichnet, da sie zwei Influenza-A-Stämme und einen Influenza-B-Stamm enthalten. Die einzelnen Virusstämme werden separat in befruchteten Hühnereiern gezüchtet. Da sich die Oberflächenantigene der Influenzaviren (Hämagglutinin, Neuraminidase) durch Punktmutationen ständig ändern, muss jedes Jahr neu geimpft werden, damit ein Schutz gewährleistet ist. Die Zusammensetzung der Vakzine erfolgt jeweils nach den – in den letzten Jahren meistens recht zuverlässigen – WHO-Empfehlungen aufgrund der zu erwartenden Virustypen. Die Impfstoffherstellung ist äusserst zeitaufwendig: nach der Identifikation des Virus dauert es noch mindestens 6 Monate bis zur Freigabe der ersten Impfdosen.

In der Schweiz sind derzeit fünf, durchwegs Totvirus enthaltende Impfstoffe verfügbar.

Splitimpfstoffe (Fluarix®, Mutagrip®) und Subunitimpfstoffe (Influvac®) kosten CHF 18.20 und sind damit gut 3 Franken billiger als virosomale Impfstoffe (Influvac® Plus, Inflexal® V Berna). Obwohl virosomale Impfstoffe namentlich bei älteren Leuten häufiger protektive Antikörpertiter induzieren als konventionelle Impfstoffe, ist ihre klinische Überlegenheit bislang nicht belegt.(10) In Bezug auf die Verträglichkeit finden sich keine relevanten Unterschiede zwischen den einzelnen Präparaten.

Der Influenzaimpfstoff wird am besten zwischen Mitte Oktober und Mitte November intramuskulär (oder tief subkutan) injiziert; eine spätere Impfung ist möglich. Krebskranke können zwischen zwei Chemotherapiezyklen geimpft werden.

Bei Verwendung der Split- oder Subunitimpfstoffe beträgt die Dosis für Kinder ab 3 Jahren und Erwachsene 0,5 ml, für Kinder zwischen 6 Monaten und 3 Jahren 0,25 ml. Bei der erstmaligen Impfung von Kindern sollte bis zum Alter von Jahren nach 4 bis 6 Wochen nochmals dieselbe Dosis verabreicht werden. Virosomale Impfstoffe sind erst ab 2 Jahren zugelassen; sie werden generell in einer Dosis von 0,5 ml injiziert.

Andere prophylaktische Massnahmen

Als grundsätzlich sinnvolle, meistens kostenlose Präventionsmassnahmen können Nikotinabstinenz, ausgewogene Ernährung, Einhalten von genügend Schlaf, Feuchthalten der Luftwegsschleimhäute, regelmässige Bewegung im Freien und Meiden von Menschenansammlungen in der Grippezeit empfohlen werden. In einzelnen asiatischen Ländern tragen viele Leute während der Grippesaison einen Gesichtsschutz; der Nutzen dieser Massnahme ist jedoch nicht gesichert.

Echinacea

Einzelne Bestandteile des Phytotherapeutikums Echinacea sollen eine Stimulation des Immunsystems und eine (unspezifische) Hemmung der Virusreplikation bewirken. In der Schweiz sind mehrere, unterschiedlich zusammengesetzte Präparate rezeptfrei erhältlich und offensichtlich sehr beliebt. Gemäss placebokontrollierten Doppelblindstudien hat Echinacea möglicherweise eine bescheidene Wirkung in Bezug auf die Verhütung von Erkältungserkrankungen. Zur Anwendung als Grippeprophylaktikum liegen jedoch bisher keine aussagekräftigen Studien vor.(11) Echinacea kann schwere anaphylaktische Reaktionen auslösen.(12) Bei Vorliegen von chronischen Infektionen (z.B. HIV-Infektion, Tuberkulose) oder von Autoimmunerkrankungen gilt Echinacea als kontraindiziert.

Acetylcystein

Eine italienische Multizenterstudie, in der 262 mehrheitlich ältere und chronisch kranke Personen nach dem Zufallsprinzip während 6 Monaten entweder Acetylcystein (z.B. Fluimucil ®) oder Placebo erhielten, ergab, dass in der aktiv behandelten Gruppe seltener grippale Symptome auftraten als in der Kontrollgruppe.(13) Die Aussagekraft dieser Untersuchung wird jedoch nicht nur durch die geringe Zahl der Teilnehmenden, sondern vor allem auch durch die Tatsache, dass nicht nur Influenzainfekte, sondern auch durch andere Viren verursachte «grippale Infekte» ausgewertet wurden, entscheidend geschmälert.

Virustatika

Die Neuraminidasehemmer Oseltamivir (Tamiflu®) und Zanamivir (Relenza®) wurden in früheren pharma-kritik- Nummern ausführlich besprochen.(14,15) Bei prophylaktischer Anwendung müssen nach den bisher vorliegenden, recht spärlichen Daten bis zu 35 Personen während mindestens 4 Wochen einen Neuraminidasehemmer einnehmen, um einen Grippefall zu verhindern, was mit enormen Kosten verbunden ist. Auch ist bisher nicht bekannt, in welchem Ausmass Neuraminidasehemmer die Zahl der Pneumonien, der Hospitalisationen und der grippebedingten Todesfälle vermindern können, und ob ihre langfristige, breite Anwendung vermehrt zu Resistenzproblemen führen kann. Es fällt deshalb zur Zeit schwer, diesen Medikamenten einen Platz innnerhalb der allgemeinen Influenzaprophylaxe zuzuordnen. In besonderen Fällen mögen sie allenfalls von Nutzen sein; so könnten sie nach Ausbruch einer Pandemie eine wichtige Rolle spielen, da ihre Herstellung wesentlich einfacher ist als jene der Grippeimpfstoffe.

Wenngleich Amantadin (PK-Merz®, Symmetrel®) als Virustatikum besser dokumentiert ist und weniger kostet als die Neuraminidasehemmer, wird aufgrund der beträchtlichen zentralnervösen Toxizität, der fehlenden Wirkung gegen Influenzaviren B und der raschen Entstehung und Ausbreitung resistenter Influenzaviren von einer Amantadin-Prophylaxe eher abgeraten.

Andere Mittel

Gemäss einer kürzlich in der «Cochrane Library» publizierten Analyse gibt es keine Evidenz zu einer grippeprophylaktischen Wirkung des homöopathischen Arzneimittels Oscillococcinum. Auch der Nutzen einer präventiven Einnahme von Zink oder von Vitaminpräparaten ist nicht dokumentiert.

Schlussfolgerungen

Mit den Neuraminidasehemmern verfügen wir zwar über recht viel versprechende Influenzavirustatika. Dennoch wird die Influenzaimpfung nach heutigem Wissensstand zu Recht als die wirksamste Massnahme zur Verhütung von Grippekomplikationen betrachtet. Hingegen herrscht international noch keine Einigkeit in der Frage, wie weit der Kreis der zu impfenden Personen gezogen werden sollte. Diesbezüglich sind nicht nur prognostische, sondern auch epidemiologische, psychosoziale und ökonomische Aspekte von Belang.

Dass ältere und chronisch kranke Personen in prognostischer Hinsicht von einer Influenzaimpfung profitieren, ist – selbst unter Berücksichtigung der kleinen Menge an randomisiert-kontrolliert erhobenen Daten – kaum mehr zu widerlegen. Bei diesen Risikogruppen ist deshalb grundsätzlich eine möglichst breite Impfung anzustreben und aktiv zu empfehlen.

Für eine Impfung von Kindern können prognostische und epidemiologische Argumente geltend gemacht werden. Kleinkinder haben besonders in den zwei ersten Lebensjahren ein hohes Risiko von Grippekomplikationen (akute respiratorische Erkrankungen, Otitis media, Fieberkrämpfe); ältere Kinder tragen wesentlich zur Übertragung der Influenza bei. Die Erhältlichkeit eines Impfstoffes, der nicht injiziert werden muss – wie z.B. die neue, in den USA entwickelte intranasale Vakzine –(16), könnte zweifellos dazu beitragen, dass mehr Kinder geimpft würden. Allerdings gefährdet die Grippe diejenigen Kinder am meisten, die altershalber für eine Influenzaimpfung noch nicht in Frage kommen. Aufgrund dieser Überlegungen werden gesunde Kleinkinde rvorläufig wohl am besten durch eine Impfung der engsten Kontaktpersonen (Eltern, Krippenpersonal) vor einem Influenzainfekt geschützt.(17)

Das Risiko von schwerwiegenden respiratorischen Grippekomplikationen ist bei schwangeren Frauen ab dem zweiten Trimenon ähnlich hoch wie bei älteren oder chronisch kranken Personen.(18) Eine Infektion mit dem Influenzavirus ist zudem mit einer erhöhten Inzidenz von Spontanaborten, Frühgeburten und neonatalen Todesfällen verbunden. Auch ist recht gut dokumentiert, dass Influenzaimpfstoffe keinerlei schädliche Auswirkungen auf die fötale Entwicklung haben. Aus diesen Daten lässt sich schliessen, die Influenzaimpfung habe zumindest im zweiten und dritten Schwangerschaftstrimester ein günstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis und sei deshalb bei schwangeren Frauen – entsprechend den amerikanischen Empfehlungen – vermehrt in Betracht zu ziehen.(9)

Es gibt gute Gründe, medizinisch tätige Personen gegen Grippe zu impfen, selbst wenn bisher der Nachweis noch nicht zweifelsfrei erbracht ist, dass sich so die Mortalität hospitalisierter Kranker senken lässt. Zu nennen sind namentlich die Tatsachen, dass die immunisierende Wirkung der Impfung bei älteren und chronisch kranken Individuen oft ungenügend ist; dass medizinisches Personal aufgrund des engen Kontaktes dazu prädestiniert ist, das Influenzavirus auf Risikopersonen zu übertragen; und dass grippebedingte Arbeitsausfälle die medizinische Versorgung gerade dann beeinträchtigen, wenn besonders viele Leute wegen akuten Erkrankungen intensiver Betreuung bedürfen. In Anbetracht der guten Verträglichkeit der Influenzaimpfstoffe fällt es auch schwer, stichhaltige Argumente gegen eine Impfung des Pflegepersonals zu finden. Um eine «Herdimmunität » in einer medizinischen Institution zu erreichen, sollten mindestens 80% des Personals und der Hospitalisierten – idealerweise alle zum selben Zeitpunkt – geimpft werden. Es gehört zu den Aufgaben der verantwortlichen Ärzte und der Pflegeleitung, durch gute, sachliche Information und flankierende organisatorische Massnahmen eine möglichst hohe Impfrate zu erzielen.(19)

Bei anderweitig erwerbstätigen Personen können in erster Linie ökonomische Argumente für eine Influenzaimpfung ins Feld geführt werden. Hier sind individuelle Wünsche und die verfügbare Impfstoffmenge wegweisend.

Kommentar

Als praktische Richtlinie für die Empfehlung der Grippeimpfung bei über 65jährigen Personen eignet sich ein Vergleich mit der Verabreichung von Antibiotika. Würde ein älterer Patient bei einer Pneumonie nicht antibiotisch behandelt (z.B. wegen eines terminalen Leidens), ist in der Regel auch die Grippeimpfung nicht sinnvoll. Würde der ältere Patient jedoch im Fall einer Pneumonie antibiotisch behandelt, dann ist es sinnvoll, die Grippeimpfung durchzuführen, und diese dem Patienten mit gleichem Nachdruck zu empfehlen, wie man dies beim Antibiotikum tun würde.

Andreas Stuck

Standpunkte und Meinungen

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Grippeprophylaxe (22. August 2002)
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