Nabumeton

Synopsis

Nabumeton (Balmox®), ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer,wird zur analgetischen und entzündungshemmendenBehandlung von rheumatischen Erkrankungenund Weichteilverletzungen empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Nabumeton ist ein «Prodrug», das erst in der Leber in die pharmakologisch aktive Form (6-methoxy-2-naphthylessigsäure) umgewandelt wird. Dieser Metabolit unterscheidet sich von Naproxen (Naprosyn® u.a.) nur durch das Fehlen einer Methylgruppe. Nabumeton ist ein schwacher, der aktive Metabolit ein starker Hemmer der Zyklooxygenase. (1) Die Zyklooxygenase-Hemmung ist wesentlich für die entzündungshemmende Wirkung dieser Medikamente verantwortlich. Gleichzeitig ist sie aber auch an der Entstehung von Schleimhautläsionen im Magen- Darmtrakt beteiligt. Die relative Bedeutung lokaler Schleimhauteffekte ist schwierig einzuschätzen. Es ist deshalb nicht a priori gesichert, dass «Prodrugs» wie Nabumeton oder z.B. auch Sulindac (Clinoril®) weniger gastrointestinale Nebenwirkungen hervorrufen. Die Herstellerfirma erwähnt auch die Tatsache, dass Nabumeton keine Säure ist, als möglichen Vorteil. Es gibt jedoch noch verschiedene andere nicht-azidische Entzündungshemmer; zudem ist der aktive Nabumeton-Metabolit eine Säure.

Pharmakokinetik

Nabumeton wird gastrointestinal gut resorbiert und in der Leber präsystemisch zur aktiven 6-methoxy-2-naphthylessigsäure umgewandelt. Unverändertes Nabumeton kann im Plasma nicht nachgewiesen werden. Etwa 35% einer Nabumeton-Dosis werden als aktiver Metabolit systemisch verfügbar. Gleichzeitige Nahrungsaufnahme beschleunigt die Resorption. Etwa 5 bis 6 Stunden nach einer Einzeldosis werden maximale Plasmakonzentrationen des aktiven Metaboliten erreicht. Bei Verabreichung üblicher therapeutischer Dosen wird innerhalb einer Woche ein Fliessgleichgewicht («steady state») erreicht. Die Ausscheidung erfolgt grösstenteils in Form von inaktiven Abbauprodukten über die Nieren. Bei jungen Versuchspersonen wurde für 6-methoxy-2-naphthylessigsäure eine Eliminationshalbwertszeit von durchschnittlich 24 Stunden gefunden. Bei älteren Leuten sind die Plasmakonzentration höher und die Halbwertszeit vergleichsweise länger, wobei auch eine stärkere interindividuelle Variabilität als bei jüngeren festzustellen ist. Bei eingeschränkter Leberfunktion (z.B. bei Leberzirrhose), eventuell auch bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz ist ebenfalls mit einer Verlängerung der Halbwertszeit zu rechnen.(2)

Klinische Studien

Die Wirksamkeit von Nabumeton ist gut dokumentiert. Zahlreiche Vergleichsstudien liegen vor; zudem ist Nabumeton in verschiedenen Ländern (z.B. Deutschland, Grossbritannien) schon seit mehreren Jahren verfügbar. Von besonderem Interesse sind Vergleiche mit dem nahe verwandten Naproxen. Beispiele: In einer multizentrischen Doppelblindstudie erhielten insgesamt 489 Patienten mit Arthrose während sechs Monaten entweder Nabumeton (täglich 1000 mg, vor dem Schlafengehen) oder Naproxen (2mal täglich 250 mg). Beurteilt wurde der Therapieerfolg von den Kranken und ihren Ärzten unter Berücksichtigung der Krankheitsaktivität und der spontanen und bewegungsabhängigen Schmerzen. Es ergab sich ein gleichwertiges Resultat in den beiden Gruppen. Wegen ungenügender Wirkung setzten 23% der Nabume- tongruppe und 17% der Naproxengruppe ihr Medikament vor Studienende ab.(3)
Mit den gleichen Dosen der beiden Medikamente wurde auch eine Doppelblindstudie bei Polyarthritis durchgeführt. Auch in dieser Studie mit 318 Patienten ergaben sich nach sechs Monaten keine signifikanten Unterschiede der Wirksamkeit von Nabumeton und Naproxen.(4) Höhere Dosen wurden in einer drei Monate dauernden Doppelblindstudie bei 298 Personen mit Polyarthritis verwendet: hier ergaben 2000 mg Nabumeton pro Tag grosso modo die gleiche Wirkung wie 1000 mg Naproxen pro Tag.(5) Nabumeton ist ausserdem mit mehreren anderen nichtsteroidalen Entzündungshemmern verglichen worden. In einer grossen Studie wurde das neue Medikament (1000 mg/Tag) bei Arthrosepatienten gegen Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin®, 4mal 900 mg/Tag) geprüft. Die nach verschiedenen Kriterien beurteilte Wirksamkeit war in den beiden Gruppen nach sechs Monaten nicht signifikant verschieden.(6) Weitere Studien dienten dem Vergleich mit üblichen therapeutischen Dosen von Diclofenac (z.B. Voltaren ®), Indometacin (z.B. Indocid®), Piroxicam (z.B. Felden ®) und Sulindac (Clinoril®). In keinem Fall ergaben sich nennenswerte Wirksamkeits-Unterschiede zwischen den untersuchten Medikamenten.(1) Mit Ibuprofen (z.B. Brufen®) ist Nabumeton wenig verglichen worden.
Nabumeton ist auch bei Lumbalgie, Zervikalsyndrom und periartikulären Schulterbeschwerden sowie bei Weichteilverletzungen wirksam. Sein relativer Nutzen bei diesen Indikationen ist allerdings nicht gut definiert; in einer Doppelblindstudie bei Personen mit Weichteilverletzungen fand sich sogar kein signifikanter Unterschied zu Placebo.(1)
Mit der empfohlenen Tagesdosis von 1000 mg kann offenbar der Mehrheit der Kranken geholfen werden.(1) Es gibt allerdings Hinweise, dass diese Dosis suboptimal sein könnte. In einer Langzeitstudie bei 61 Polyarthritis-Patienten zeigte sich jedenfalls im Zeitraum von drei Jahren bei über 80% der Behandelten das Bedürfnis nach Dosissteigerung (bis zu 2000 mg/Tag).(7)

Unerwünschte Wirkungen

In den klinischen Studien und nach Einführung von Nabumeton in anderen Ländern wurden bei rund 20% aller Behandelten unerwünschte Wirkungen beobachtet. In den ersten sechs Monaten der Behandlung setzten rund 10% der Patienten Nabumeton wegen Nebenwirkungen ab, etwa gleich viele wie in den Vergleichsgruppen, die Naproxen erhielten. Gastrointestinale Beschwerden (meistens Magenbrennen, Brechreiz, Bauchschmerzen oder Durchfall) waren weitaus am häufigsten. Auch über Beschwerden seitens des Zentralnervensystems (Kopfschmerzen, Schwindel, Tinnitus, selten Alpträume) wurde geklagt. Ferner kamen (seltener) Hautreaktionen und Ödeme vor.
Verursacht Nabumeton weniger gastrointestinale Probleme als andere nicht-steroidale Entzündungshemmer? Diese Frage wurde sowohl in den klinischen Studien und in der Postmarketing-Überwachung als auch in Endoskopie- Studien untersucht. Auch hier interessiert in erster Linie der Vergleich mit dem nahe verwandten Naproxen. In einer Übersicht wird über 878 Patienten berichtet, die in Doppelblindstudien mit Nabumeton oder Naproxen behandelt wurden: die Häufigkeit gastrointestinaler Beschwerden war in beiden Gruppen ungefähr gleich.(8) In Vergleichen mit Acetylsalicylsäure und Indometacin war die gastrointestinale Verträglichkeit von Nabumeton dagegen besser.
Verschiedene nicht-kontrollierte Langzeit-Beobachtungen dienten der Erfassung von gefährlichen gastrointestinalen Nebenwirkungen (Ulzera, Blutungen). Gemäss einem amerikanischen Bericht beträgt die über acht Jahre kumulierte Inzidenz solcher Komplikationen weniger als 1%. Nach einer britischen Untersuchung liegt die Ulkusinzidenz für Nabumeton bei 0,4% pro Jahr. Andere Studien der gleichen Gruppe hatten für andere nicht-steroidale Entzündungshemmer ähnliche Ulkusinzidenzen ergeben, z.B. für Piroxicam (Felden® u.a.) 0,5%.(9) Die wahre Häufigkeit von medikamentös induzierten Ulzera ist schwierig einzuschätzen; man schätzt, dass 2 - 4% der während eines Jahres mit Antirheumatika behandelten Patienten symptomatische Ulzera entwickeln.
In mehreren kleinen Endoskopie-Studien konnten unter Nabumeton signifikant weniger Ulzera als unter Indometacin oder Naproxen nachgewiesen werden.(10) Auch in einem 12 Wochen dauernden (einfach-blinden) Vergleich zwischen Nabumeton, Ibuprofen und Ibuprofen + Misoprostol (Cytotec®) fanden sich unter Nabumeton am wenigsten Ulzera.(1) (Bei dieser Studie war allerdings die Ulkusinzidenz unter Ibuprofen viel höher als in anderen Studien mit dem gleichen Medikament.)

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Nabumeton (Balmox®) ist als lösliche Tabletten zu 1000 mg erhältlich und ist in der Schweiz kassenzulässig. Die übliche Tagesdosis beträgt 1000 mg vor dem Zubettgehen. In schweren Fällen können zusätzlich 500 bis 1000 mg am Morgen eingenommen werden. Bei älteren Leuten sollte die Dosis auf 1000 mg/Tag beschränkt bleiben. Für Kinder unter 14 Jahren, schwangere und stillende Frauen ist die Sicherheit des Medikamentes noch nicht nachgewiesen. Die monatliche Behandlung mit Nabumeton (1000 mg/Tag) kostet Fr. 45.65 (mittlere Packungsgrösse). Naproxen ist deutlich teurer: 2mal 250 mg/Tag kosten Fr. 56.50 pro Monat. Diclofenac-Generika sind dagegen viel billiger (z.B. kostet Ecofenac®, 100 mg/Tag, nur Fr. 20.50 monatlich).

Kommentar

Nabumeton ist ein weiterer nicht-steroidaler Entzündungshemmer, der in seiner Struktur sowie in seinem Wirkungsund Nebenwirkungsspektrum anderen Vertretern dieser Wirkstoffgruppe gleicht. Das neue Medikament ist bei Arthrose und anderen rheumatischen Erkrankungen sowie vermutlich auch bei Weichteilverletzungen gut wirksam. Ob sich Nabumeton für akute Schmerzprobleme eignet, ist nicht untersucht worden. Wie beim nahe verwandten Naproxen handelt es sich um eine verhältnismässig gut verträgliche Substanz. Einige Untersuchungen weisen darauf hin, dass Nabumeton eventuell weniger Magenulzera als andere Antirheumatika verursacht. Eine definitive Aussage zu dieser Frage muss aber solange aufgeschoben werden, bis mehr Erfahrungen auch mit höheren Nabumeton-Dosen vorliegen.

Literatur

  1. 1) Friedel HA et al. Drugs 1993; 45: 131-56
  2. 2) Hyneck ML. J Rheumatol 1992; 19 (Suppl 36): 20-4
  3. 3) Pisko EJ et al. Am J Med 1987; 83 (Suppl 4B): 86-91
  4. 4) Vasey FB et al. Am J Med 1987; 83 (Suppl 4B): 55-9
  5. 5) Emery P et al. J Rheumatol 1992; 19 (Suppl 36): 41-7
  6. 6) Applerouth DJ et al. Am J Med 1987; 83 (Suppl 4B): 78-81
  7. 7) Brobyn RD. Am J Med 1987; 83 (Suppl 4B): 50-4
  8. 8) Bernhard GC. J Rheumatol 1992; 19 (Suppl 36): 48-57
  9. 9) Inman WH et al. Pharm Med 1990; 4: 309-17
  10. 10) Roth SH. J Rheumatol 1992; 19 (Suppl 36): 74-9

Standpunkte und Meinungen

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Nabumeton (14. Oktober 1993)
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
pharma-kritik, 15/No. 19
PK503
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