Zopiclon

Synopsis

Zopiclon (Imovane®) wird zur Behandlung von Schlafstörungen empfohlen.

Chemie /Pharmakologie

Zopiclon gehört zu einer neuartigen Substanzklasse, den Zyklopyrrolonen, welche sich in ihrer Struktur sowohl von derjenigen der Benzodiazepine als auch der Imidazopyridine -- z.B. Zolpidem (Stilnox®) -- unterscheiden. Das neue Medikament hat wie die Benzodiazepine im Tierversuch anxiolytische, antikonvulsive und muskelrelaxierende Wirkungen; am deutlichsten ist aber seine sedative Wirkung ausgeprägt. Zopiclon bindet sich im Zentralnervensystem an den Benzodiazepinrezeptor und wirkt via eine Verstärkung der von Gamma-Aminobuttersäure (GABA) vermittelten Übertragung. In vitro kann es z.B. von Diazepam (Valium® u.a.) von seinen Bindungsstellen verdrängt werden. Die Bindungsstelle am Rezeptor ist jedoch nicht exakt mit der Benzodiazepin-Bindungsstelle identisch.

Zopiclon verkürzt die Schlaflatenz und verlängert die Schlafdauer. Auch sein Einfluss auf die Schlafarchitektur ist verschiedentlich untersucht worden: Es scheint die Zeit bis zum Eintreten der ersten Phase des von «Rapid Eye Movements» (REM) gekennzeichneten Schlafes zu verlängern, beeinflusst im übrigen aber die Gesamtdauer des REM-Schlafes wenig. Das Eintreten und die Dauer der Schlafphase I sind verkürzt; der Einfluss auf die Schlafphasen II-IV war in verschiedenen Untersuchungen widersprüchlich. Jedenfalls ist ungewiss, ob diesen Unterschieden klinische Relevanz zukommt. Sein Abhängigkeitspotential entspricht im Tierversuch ungefähr demjenigen von Diazepam oder Nitrazepam (Mogadon® u.a.).(1)

Pharmakokinetik

Nach oraler Einnahme wird Zopiclon rasch resorbiert und verteilt; es erreicht nach etwa 1 Stunde maximale Plasmakonzentrationen. Die biologische Verfügbarkeit beträgt rund 80%. Zopiclon wird fast ausschliesslich in der Leber metabolisiert. Einer der beiden Hauptmetaboliten ist pharmakologisch aktiv. Im Urin finden sich weniger als 10% einer Zopiclon-Dosis in unveränderter Form. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt etwa 5 Stunden;(2) der aktive Metabolit hat eine ähnlich lange Halbwertszeit. Bei älteren Leuten ist die Halbwertszeit auf rund 7 Stunden verlängert; auch bei Personen mit eingeschränkter Leberfunktion oder mit fortgeschrittener Niereninsuffizienz wird das Medikament verzögert ausgeschieden. Zopiclon wird in geringen Mengen mit der Muttermilch ausgeschieden. (3) Therapeutische Anwendung des Medikamentes über längere Zeit scheint nicht zur Akkumulation zu führen.(4)

Klinische Studien

Zopiclon ist in zahlreichen Studien geprüft worden und ist z.B. in Frankreich und England schon seit mehreren Jahren erhältlich. Das Medikament wurde mit vielen Benzodiazepinen verglichen und zeigte sich in einer Dosis von 7,5 mg bei Schlafstörungen ähnlich wirksam wie z.B. Nitrazepam (5 mg), Flurazepam (15 bis 30 mg, Dalmadorm ®), Temazepam (20 mg, Planum®) oder Triazolam (0,125 bis 0,5 mg, Halcion®).
Einige Beispiele von Studien: In einer Doppelblindstudie, die 48 ältere Patienten mit Schlafstörungen umfasste, wurde während drei Wochen Zopiclon (5 bis 7,5 mg abends) mit Triazolam (0,125 bis 0,25 mg abends) und Placebo verglichen. Die beiden Schlafmittel waren hinsichtlich Schlaflatenz, Schlafqualität und Wohlbefinden am Morgen ähnlich wirksam und dem Placebo signifikant überlegen.(5)
In einem einwöchigen Vergleich von Zopiclon (7,5 mg abends) mit Nitrazepam (5 mg abends), der bei 74 älteren Leuten durchgeführt wurde, erwiesen sich die beiden Schlafmittel ebenfalls als etwa gleich wirksam, wobei sich die Behandelten durchschnittlich nach Zopiclon am Morgen besser fühlten.(6)
In einer doppelblinden, in mehreren Allgemeinpraxen durchgeführten Crossover-Studie bei 42 Patienten mit Schlafstörungen wurde Zopiclon (7,5 mg täglich) mit einer relativ hohen Flunitrazepam-Dosis (Rohypnol®, 2 mg täglich) während je 10 Tagen verglichen. Hier war Flunitrazepam bezüglich Schlaflatenz und in der Gesamtbeurteilung der Patienten signifikant besser.(7)
In einer weiteren Doppelblindstudie ist Zopiclon (7,5 mg/Tag) in der Behandlung von Schlafstörungen bei 52 Alkoholabhängigen mit Lormetazepam (Loramet®, Noctamid®, 1 mg/Tag) verglichen worden. Die Patienten mussten für mindestens 10 Tage mit dem Alkoholkonsum aufgehört haben, die «Wash-out»-Periode mit Placebo dauerte zwei Tage. Nach fünf Tagen aktiver Behandlung war lediglich die Schlaflatenz unter Lormetazepam signifikant kürzer; im übrigen ergaben sich keine statistisch signifikanten Unterschiede gegenüber der Behandlung mit Placebo.(8)

In einer doppelblinden Studie bei 60 Patienten sind am Vorabend eines chirurgischen Wahleingriffes 7,5 mg Zopiclon, 1 mg Lormetazepam oder 15 mg Midazolam (Dormicum ®) verabreicht worden. Die Patienten erhielten die Medikamente um 22 Uhr und wurden um 7 Uhr des folgenden Tages zwei psychomotorischen Tests unterworfen. Unter Zopiclon erwachten die Patienten weniger häufig als unter den beiden anderen Mitteln; Lormetazepam beeinträchtigte dagegen die Psychomotorik am Morgen weniger als Zopiclon. Im übrigen ergaben sich keine signifikanten Unterschiede zwischen den drei Schlafmitteln.(9) Untersuchungen zu einer länger als vier Wochen dauernden Zopiclon-Verabreichung sind kaum vorhanden.

Unerwünschte Wirkungen

Zopiclon verursacht relativ häufig einen bitteren Geschmack im Mund oder Mundtrockenheit. Der bittere Geschmack hängt offenbar vom Zopiclon-Gehalt des Speichels ab und ist bei Tagesdosen über 7,5 mg häufiger zu beobachten (in einzelnen Studien bei 15 bis 30% der Behandelten). In einer grossen offenen Studie, in der über 20’000 Personen während drei Wochen Zopiclon erhielten, klagten rund 9% der Behandelten über unerwünschte Wirkungen. Neben bitterem Geschmack und Mundtrockenheit waren auch Müdigkeit (besonders am Morgen), Brechreiz und Alpträume relativ häufig. Andere Symptome (Kopfschmerzen, Schwindel, Herzklopfen, Zittern, usw.) waren seltener. Erwähnenswert sind einige Fälle von Halluzinationen und von Stürzen.(10)Über mehrere Fälle von neuropsychiatrischen Problemen (Halluzinationen, Amnesie, Verhaltensstörungen) wurde auch in den ersten Jahren nach Einführung des Medikamentes in Grossbritannien berichtet.(11)
In einer Studie wurde bei zehn Versuchspersonen die neuropsychologische Leistung eine, vier und zehn Stunden nach Einnahme eines Schlafmittels geprüft. Gegenüber Placebo fand sich unter üblichen Dosen von Zopiclon, Flurazepam, Lormetazepam und Triazolam eine signifikante Verschlechterung; dagegen ergaben sich keine Unterschiede zwischen den einzelnen Schlafmitteln.(12) Nach verschiedenen klinischen Untersuchungen verursacht Zolpidem aber im ganzen weniger «Hangover»-Effekte als die langwirkenden Benzodiazepine Flurazepam und Nitrazepam.

Ungeklärt ist die Frage des Abhängigkeitspotentials: Bei 48 an Schlaflosigkeit leidenden Personen, die während 21 Nächten entweder 7,5 mg Zopiclon oder 0,25 mg Triazolam erhielten, kam es nach Absetzen des Schlafmittels zu recht deutlichen «Rebound»-Schlafstörungen.(13) Einige wenige andere Untersuchungen weisen ebenfalls darauf hin, dass Zopiclon grundsätzlich ein ähnliches Abhängigkeitspotential wie Benzodiazepine aufweisen dürfte.(14) Mangels länger dauernder Untersuchungen ist jedoch eine zuverlässige Aussage zu dieser Frage nicht möglich.

Dosierung, Verabreichung, Kosten

Zopiclon (Imovane®) ist als teilbare Tabletten zu 7,5 mg erhältlich. Es ist kassenzulässig. Es wird empfohlen, vor dem Schlafengehen eine Tablette einzunehmen; ältere Leute kommen oft mit der halben Dosis aus. Als Kontraindikationen werden schwere Lebererkrankungen, schwerwiegende Erkrankungen der Atmungsorgane sowie Myasthenia gravis genannt.
Mangels entsprechenden Erfahrungen sollen weder schwangere oder stillende Frauen noch Jugendliche unter 18 Jahren Zopiclon einnehmen. Wie bei anderen Schlafmitteln wird von einer langfristigen Einnahme abgeraten. Eine übliche Tagesdosis kostet rund 50 Rappen, d.h. etwa gleich viel wie eines der neueren Benzodiazepine.

Kommentar

Obwohl Zopiclon schon anfangs der 80er Jahre erstmals ausgetestet wurde, ist auch heute nicht zu sagen, ob dieses Schlafmittel praktisch relevante Vorteile bietet. Insbesondere im Vergleich zu den kurzwirkenden Benzodiazepinen sind nur geringfügige Unterschiede auszumachen.
Die wichtige Frage nach dem Abhängigkeitsrisiko ist ungeklärt. Die Herstellerfirma weist in ihrer Werbung darauf hin, Zopiclon könne vorteilhaft anstelle von Benzodiazepinen eingesetzt werden und illustriert dies mit einer Graphik, die eine in der Dauer nicht beschränkte Zopiclon-Verabreichung suggeriert. Dies steht in krassem Gegensatz zu den auf wenige Wochen beschränkten Studien und zu den wiederholten Beteuerungen, Schlafmittel sollten nur kurzfristig verabreicht werden. Die Realität sieht anders aus: viele -- besonders ältere -- Leute nehmen Schlafmittel langfristig ein. Deshalb müsste auch die chronische Einnahme dieser Medikamente genau geprüft werden.

Literatur

  1. 1) Goa KL, Heel R.C. Drugs 1986; 32: 48-65
  2. 2) Gaillot J et al. Pharmacology 1983; 27 (Suppl 2): 76-91
  3. 3) Matheson I et al. Br J Clin Pharmacol 1990, 30: 267-71
  4. 4) Houghton GW et al. Int J Clin Pharmacol Therap Toxicol 1985; 23: 97-100
  5. 5) Elie R et al. Int Clin Psychopharamcol 1990; 5 (Suppl 2): 39-46
  6. 6) Klimm HD et al. Sleep 1987; 10 (Suppl 1): 73-8
  7. 7) Wickstrom E et al. Pharmacology 1983; 27 (Suppl 2): 165-72
  8. 8) Ansoms S et al. Curr Therap Res 1991; 49: 54-64
  9. 9) Rettig HC et al. Anaesthesia 1990; 45: 1079-82
  10. 10) Allain H et al. Sleep 1991; 14: 408-13
  11. 11) WHO Drug Info 1990; 4: 179
  12. 12) Griffiths AN et al. Br J Clin Pharmacol 1986; 21: 647-53
  13. 13) Fleming JA et al. Int Clin Psychopharmacol 1990; 5 (Suppl 2): 29-37
  14. 14) Editorial. Lancet 1990; 335: 507-8

Standpunkte und Meinungen

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Zopiclon (14. Juni 1994)
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pharma-kritik, 16/No. 11
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