Neuere Antihypertensiva
- Autor(en): Etzel Gysling
- pharma-kritik-Jahrgang 20
, Nummer 18, PK399
Redaktionsschluss: 29. Juni 1999 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Update
Seit in pharma-kritik eine grössere Übersicht zu den Antihypertensiva veröffentlicht worden ist,(1) sind ein halbes Dutzend neue blutdrucksenkende Medikamente und eine Reihe von neuen Kombinationspräparaten auf den Markt gekommen. Der folgende Text dient dazu, den aktuellen Stellenwert der verschiedenen Antihypertensiva kurz zu umschreiben.
Diuretika
Diuretika sind nach wie vor die Mittel der Wahl zur initialen Behandlung einer Hypertonie, vor allem auch bei älteren Leuten.(2) Diese Medikamente entfalten besonders in Kombination mit anderen Wirkprinzipien eine sehr zuverlässige blutdrucksenkende Wirkung. Neue Diuretika sind in den letzten Jahren nicht eingeführt worden, dagegen einige neue Kombinationspräparate, die Diuretika enthalten.
Betablocker
Der Nutzen der Betablocker - nicht nur bei Hypertonie, sondern auch bei koronarer Herzkrankheit - ist ebenfalls sehr gut dokumentiert. Neu eingeführt wurden Carvedilol (Dilatrend®), das beta- und alphablockierende Eigenschaften aufweist,(3) sowie Nebivolol (Nebilet®), das nächstens in pharma-kritik besprochen wird.
Kalziumantagonisten
Die Kontroverse um Nutzen oder Schaden der Kalziumantagonisten ist nicht restlos abgeschlossen.(4) Nach heutigem Wissen werden jedoch kurzwirkende Kalziumantagonisten wie z.B. nicht-retardiertes Nifedipin (Adalat® u.a.) besser vermieden. In dieser Gruppe sind keine neuen Monosubstanzen eingeführt worden. In zwei neuen Präparaten (Tarka®, Unimax®) ist ein Kalziumantagonist mit einem ACE-Hemmer kombiniert.
ACE-Hemmer
Die langfristigen Konsequenzen einer Behandlung mit einem ACE-Hemmer (Captopril, z.B. Lopirin®) sind vor kurzem erstmals in einer grösseren Studie dokumentiert worden. Im Vergleich mit einer «konventionellen» Behandlung (mit Diuretika und Betablockern) erwies sich Captopril als ähnlich wirksam in der Prävention kardiovaskulärer Ereignisse. Herzinfarkte waren gleich häufig, Hirnschläge traten dagegen unter Captopril etwas häufiger auf.(5)
In der Schweiz ist in den letzten Jahren nur gerade ein ACE-Hemmer, Moexipril,(6) neu eingeführt worden.
Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten
Die Gruppe der Angiotensin-II-Rezeptorantagonisten umfasst heute vier Substanzen. Nach Losartan (Cosaar®) wurden neu Valsartan (Diovan®), Candesartan (Atacand®, Blopress®) und Irbesartan (Aprovel®) eingeführt.(7,8,9
Der Stellenwert dieser Medikamente, die als besonders nebenwirkungsarm charakterisiert werden, ist noch nicht festgelegt.
Wirksamkeit, Verträglichkeit und Kosten
Die Tabelle 1 vermittelt eine Synopsis, die auch den Vergleich mit verschiedenen älteren Antihypertensiva erlaubt. Die für diese Zusammenstellung gewählten Dosierungen entsprechen denjenigen, die in der Regel zur Behandlung einer leichten bis mittelschweren arteriellen Hypertonie eingesetzt werden. Soweit es sich um Monopräparate handelt, lässt sich mit den genannten Tagesdosen bei 45 bis 65% der Behandelten eine Normotension erreichen.(10)
Die gewählten Dosen sind nicht alle gleich wirksam; direkte Vergleiche zwischen verschiedenen Substanzen sind nur teilweise vorhanden. Mit Präparaten, in denen verschiedene Wirkprinzipien vereinigt sind (z.B. ACE-Hemmer + Diuretikum), kann der Blutdruck bei einem höheren Prozentsatz der Behandelten normalisiert werden.
Das wichtigste Argument, das zu Gunsten der neueren Präparate angeführt werden kann, ist die geringere Zahl von unerwünschten Wirkungen. Stärker antihypertensiv wirksam sind die in den letzten Jahren eingeführten Antihypertensiva nicht. Diuretika und Betablocker sind zwar nicht völlig nebenwirkungsfrei. Für diese Substanzen liegen jedoch grosse Studien vor, die ihren Nutzen nicht nur anhand des Blutdrucks, sondern auch anhand von klinisch relevanten Endpunkten (z.B. Zahl der Schlaganfälle) eindrucksvoll dokumentieren. Wie bereits erwähnt, ist für andere antihypertensive Wirkprinzipien ein solcher Wirkungsnachweis bisher erst teilweise vorhanden.
Die Preisangaben in der Tabelle beruhen auf der neuesten Ausgabe (15.4.99) der Spezialitätenliste des schweizerischen Bundesamtes für Sozialversicherung. Der grösste Teil der neueren Präparate ist wesentlich teurer als die älteren Antihypertensiva.
Gesamthaft liegt es deshalb im Interesse der Patientinnen und Patienten, dass nach Möglichkeit die gut dokumentierten älteren Antihypertensiva eingesetzt werden. Dabei kann bei vergleichsweise günstigen Kosten mit einer zuverlässigen Wirkung gerechnet werden. Ein Wechsel auf teure neue Präparate ist nur dann sinnvoll, wenn störende Nebenwirkungen auftreten.
Literatur
- 1) Anon. pharma-kritik 1994; 16: 81-8
- 2) Moser M. Am Fam Physician 1999; 59: 1248-56
- 3) Staub B. pharma-kritik 1996; 18: 57-9
- 4) Stanton AV. Br Med J 1998; 316: 1471-3
- 5) Hansson L et al. Lancet 1999; 353: 611-6
- 6) Hennemann A. pharma-kritik 1998; 20: 33-4
- 7) Kappeler T. pharma-kritik 1995; 17: 11-2
- 8) Staub B. pharma-kritik 1996; 18: 71-2
- 9) de Luca A. pharma-kritik 1997; 19: 49-52
- 10) Philipp T et al. Br Med J 1997; 315: 154-9
Standpunkte und Meinungen
- Es gibt zu diesem Artikel keine Leserkommentare.
Copyright © 2024 Infomed-Verlags-AG
PK399
Gratisbuch bei einem Neuabo!
pharma-kritik abonnieren
-
Jahrgang 45 / 2023
Jahrgang 44 / 2022
Jahrgang 43 / 2021
Jahrgang 42 / 2020
Jahrgang 41 / 2019
Jahrgang 40 / 2018
Jahrgang 39 / 2017
Jahrgang 38 / 2016
Jahrgang 37 / 2015
Jahrgang 36 / 2014
Jahrgang 35 / 2013
Jahrgang 34 / 2012
Jahrgang 33 / 2011
Jahrgang 32 / 2010
Jahrgang 31 / 2009
Jahrgang 30 / 2008
Jahrgang 29 / 2007
Jahrgang 28 / 2006
Jahrgang 27 / 2005
Jahrgang 26 / 2004
Jahrgang 25 / 2003
Jahrgang 24 / 2002
Jahrgang 23 / 2001
Jahrgang 22 / 2000
Jahrgang 21 / 1999
Jahrgang 20 / 1998
Jahrgang 19 / 1997
Jahrgang 18 / 1996
Jahrgang 17 / 1995
Jahrgang 16 / 1994
Jahrgang 15 / 1993
Jahrgang 14 / 1992
Jahrgang 13 / 1991
Jahrgang 12 / 1990
Jahrgang 11 / 1989
Jahrgang 10 / 1988
Kennen Sie "100 wichtige Medikamente" schon?
Die Liste der 100 Medikamente sehen Sie auf der Startseite von 100 Medikamente.