Nebenwirkungen aktuell

KAVA-EXTRAKTE

Das Rhizom der Kavapflanze (Kawa-Kawa, Rauschpfeffer) enthält psychoaktive Wirkstoffe (vorwiegend Laktone). Kavaextrakte werden seit Jahren bei Angstzuständen und Schlafstörungen verwendet.

Kontrollierte Studien sind zusammengefasst in:

Pittler MH, Ernst E. Cochrane Database Syst Rev 2002; CD003383 [Medline]

In der Schweiz erhältliche Kava-Präparate: Kavasedon ®, Kneipp Kavetten®


Hepatotoxizität

Eine 33jährige Frau nahm im Zeitraum von etwa 3 Monaten zweimal während 3 Wochen das früher in der Schweiz erhältliche Kava-Präparat Laitan® (210 mg Kava-Laktone täglich). Kurz darauf konsumierte sie einmal eine grössere Alkoholmenge; am folgenden Tag wurde sie ikterisch. Laboruntersuchungen ergaben erhöhte Leberwerte (Transaminasen, alkalische Phosphatase, Bilirubin), serologische Anhaltspunkte für eine infektiöse Hepatitis waren nicht vorhanden. In der Leberbiopsie fanden sich entzündliche und nekrotische Elemente sowie eine kanalikuläre Cholestase. Die Leberwerte normalisierten sich nach Absetzen von Laitan ® innerhalb von 8 Wochen. Ein Lymphozyten-Transformationstest zeigte dann eine ausgeprägte T-Zell-Reaktion auf Laitan®. Diese Patientin wie auch eine andere Person mit Kava-bedingtem Leberschaden hatten beide eine CYP2D6- Defizienz («poor metabolizers»). Es kann angenommen werden, dass Kava-Präparate bei Personen mit einer CYP2D6-Defizienz eine erhöhtes hepatotoxisches Risiko darstellen.

Russmann S et al. Ann Intern Med 2001; 135: 68-9 [Medline]

Eine 53jährige Frau nahm wegen depressiver Verstimmung während zwei Jahren täglich mehrere Kava-haltige Kapseln sowie andere Phytotherapeutika und Vitamine. In der Anamnese der Patientin ist eine alkoholbedingte Hepatitis zu erwähnen; die Frau hatte jedoch seit 2 Jahren keinen Alkohol mehr getrunken. Sie erkrankte an einem Ikterus mit Erbrechen und Müdigkeit und konsultierte schliesslich einen Arzt. Es fanden sich erhöhte Werte von Bilirubin, Transaminasen und alkalischer Phosphatase. Nach Absetzen des Kavahaltigen Präparates verschwand der Ikterus, und die Leberwerte normalisierten sich.

Anon. Can Adv React Newslett 2002; 12(3): 3 [Volltext]

Gemäss den Unterlagen, die dem deutschen Bundesamt für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorliegen, sind allein in Deutschland unter Kava-Präparaten mindestens 39 Fälle von schwerwiegenden Leberschäden aufgetreten. Der im Internet veröffentliche Bericht beschreibt Einzelheiten von 18 Patientinnen und Patienten. In sechs Fällen war eine Lebertransplantation notwendig, drei Personen starben. Das BfArM hat im Juni 2002 alle Kava-Präparate (mit Ausnahme von homöopathischen Zubereitungen mit einer Endkonzentration von weniger als D4) verboten.

http://www.bfram.de/de_ver/arzneimittel/amrisiken/stufenplan/ Besch-Kava-Final.pdf [Volltext]

In der Schweiz wurde schon vor rund zwei Jahren über die Kava-bedingten Leberschäden berichtet.(1) Frankreich und Deutschland haben die Kava-Präparate jetzt verboten, Grossbritannien erwägt den gleichen Schritt. Trotz des quasi- positiven Resultats der Cochrane-Analyse bezüglich Wirksamkeit bei Angstzuständen muss heute geschlossen werden, dass Kava-Präparate ein ungünstiges Nutzen/Risiko-Verhältnis aufweisen und daher nicht mehr verwendet werden sollten.

1 Stoller R. Schweiz Ärztez 2000; 81: 1335-6 [Volltext]

ÖSTROGEN/GESTAGEN-KOMBINATION

Nachdem wir in pharma-kritik und infomed-screen wiederholt über die Problematik der Hormonsubstitution nach der Menopause berichtet haben, sind die ersten Resultate der grossen randomisierten Studie der «Womens’ Health Initiative» von besonderer Bedeutung. In der jetzt rapportierten Studie wurde eine Kombination von konjugierten Östrogenen und Medroxyprogesteron verwendet.

Markenname in der Schweiz: Premella® ST 2,5

Erhöhtes Brustkrebsrisiko

Über 16'000 50- bis 79jährige Frauen, die seit mindestens 6 Monaten keine vaginale Blutung mehr hatten, jedoch nicht hysterektomiert waren, wurden nach dem Zufall mit einer Östrogen-Gestagen-Kombination (0,625 mg konjugierte Östrogene plus 2,5 mg Medroxyprogesteron) oder Placebo behandelt.

Die Studien-Überwachungskommission hat Ende Mai 2002 die Studie nach durchschnittlich 5,2 Jahren Dauer abgebrochen, da gewisse vorher bestimmte Kriterien bezüglich Risikoausmass erfüllt waren. Im Vergleich mit einer Placebotherapie fand sich für die Hormonkombination ein um 26% erhöhtes Brustkrebsrisiko. Für hormonbehandelte Frauen lag das Risiko für einen Herzinfarkt um 29%, für eine Lungenembolie um 113% und für einen Schlaganfall um 41% höher als für Frauen unter Placebo. Kolorektale Karzinome und Schenkelhalsfrakturen waren bei hormonbehandelten Frauen seltener. Die absoluten Fallzahlen waren relativ klein, z.B. erkrankten in der Hormongruppe 8 auf 10'000 Frauenjahre an einem invasiven Brustkrebs. Für die ganze Studiendauer errechnet sich jedoch gesamthaft eine Zahl von fast 100 zusätzlichen unerwünschten Ereignissen auf 10'000 hormonbehandelte Frauen. Die Gesamtmortalität war in beiden Gruppen gleich.

Writing Group for the Women’s Health Initiative Investigators. JAMA 2002; 288: 321-33 [Medline] [Volltext]

Seit Jahren haben wir davor gewarnt, die vergleichsweise «schwache» Evidenz, die zum Nutzen/Risiko-Verhältnis der Hormonsubstitution zur Verfügung stand, für bare Münze zu nehmen. Dass sich die meisten Fachleute sehr viel enthusiastischer zur Hormonsubstitution äusserten, weist darauf hin, dass noch ein weiter Weg zu gehen ist, bis sich die Prinzipien einer «evidence based medicine» überall durchsetzen. Die jetzt vorliegenden ersten Ergebnisse der «Women’s Health Initiative» zeigen klar, dass heute eine jahrelange generelle Hormonsubstitution nach der Menopause obsolet ist.

Ein Hinweis: Auf unserer Website finden sich alle pharmakritik- und infomed-screen-Texte der letzten Jahre, als «Östrogendossier» zusammengestellt, frei zugänglich:

http://www.infomed.org/oestrogendossier/index.html

CELECOXIB & ROFECOXIB

In der Schweiz sind bisher Celecoxib und Rofecoxib die einzigen nicht-steroidalen Entzündungshemmer, die auf Grund ihrer «selektiven» COX-2-Hemmwirkung als besser gastro-intestinal verträglich gelten. Die bisherige Beurteilung muss jedoch auf Grund genauerer Studienresultate revidiert werden.

Allgemeine Übersichten zu Celecoxib und Rofecoxib: FitzGerald GA, Patrono C. N Engl J Med 2001; 345: 433-42 [Medline]

Matheson AJ, Figgitt DP. Drugs 2001; 61: 833-65 [Medline]
Clemett D, Goa KL. Drugs 2000; 59: 957-80 [Medline]

Markennamen: Celecoxib = Celebrex®, Rofecoxib = Vioxx®


CLASS-Studienresultate korrigiert

Über die mit «Celecoxib Long-term Arthritis Safety Study » (CLASS) bezeichneten zwei Studien wurde in pharmakritik bereits im Jahr 2000 berichtet. Der damalige Bericht beruhte auf der Publikation, in welcher die Sechsmonatsresultate der beiden Studien so rapportiert wurden, als ob es sich um eine einzige Studie handle, die nach 6 Monaten abgeschlossen wurde.(1) Tatsächlich handelt es sich um zwei Studien von unterschiedlicher Dauer. In der einen wurde Celecoxib während 15 Monaten mit Ibuprofen (Brufen® u.a.), in der anderen während 12 Monaten mit Diclofenac (Voltaren® u.a.) verglichen. Einzelheiten zu den längerfristigen Resultaten finden sich in den Dokumenten der amerikanischen Arzneimittelbehörde (FDA);(2,3) die entsprechenden Daten sind summarisch auch in mehreren kritischen Berichten enthalten.(4,5)

Bei der Beurteilung der Resultate ist zu beachten, dass in diesen Studien übliche Dosen von Diclofenac oder Ibuprofen mit Celcoxib-Tagesdosen verglichen wurden, die mit 800 mg dem Doppelten der empfohlenen Höchstdosen entsprechen. Damit bleibt offen, ob sich mit üblichen Celecoxib- Dosen allenfalls günstigere Resultate erzielen liessen. Wichtig ist auch, dass in diesen Studien die Verabreichung von kleinen, «plättchenhemmenden» Dosen von Acetylsalicylsäure erlaubt war.

Gemäss den Daten in den Dokumenten des «Advisory Committee» der FDA kann aus den CLASS-Studien kein signifikanter Vorteil von Celecoxib abgeleitet werden: klinisch relevante Nebenwirkungen im Bereich des oberen Magen-Darmtrakts (Blutung, Perforation oder Obstruktion) waren bei 0,5% der mit Celecoxib und bei 0,6% der mit den anderen Antirheumatika Behandelten beobachtet worden.(2) Auch in Bezug auf andere klinisch bedeutsame Nebenwirkungen und die Mortalität ergab sich kein relevanter Unterschied zwischen den Behandlungsgruppen. Ein Unterschied zu Gunsten von Celecoxib kann nur berechnet werden, wenn zusätzlich alle Fälle von gastro-duodenalen Ulzera berücksichtigt werden; gegenüber Diclofenac ergibt sich jedoch auch mit dieser erweiterten Nebenwirkungsdefinition kein Vorteil.

Bei Personen, die auch Acetylsalicylsäure einnahmen, waren klinisch bedeutsame Magen-Dagen-Ereignisse (in erster Linie Blutungen) in allen Gruppen viel häufiger, ein signifikanter Unterschied zwischen Celecoxib und den anderen Substanzen fand sich hier nicht; am wenigsten Probleme schienen sich aus der Kombination mit Ibuprofen zu ergeben.

Da die Studie nicht primär darauf angelegt war, die Wirksamkeit der verschiedenen Antirheumatika zu vergleichen, lassen sich zur Wirksamkeit kaum Aussagen machen. Es scheint jedoch, dass die verwendeten Dosen von Celecoxib, Diclofenac und Ibuprofen bei Arthritis und Arthrose ähnlich wirksam waren.

Kardiovaskuläres Risiko unter Rofecoxib

Die langfristige gastro-intestinale Verträglichkeit von Rofecoxib wurde in einer Studie namens VIGOR («Vioxx Gastrointestinal Outcomes Research») bei 8076 Personen mit rheumatoider Arthritis untersucht. Diese erhielten während 9 Monaten (Medianwert) entweder Rofecoxib (50 mg/ Tag) oder Naproxen (2mal 500 mg/Tag, z.B. Naprosyn®). Die Einnahme von Acetylsalicylsäure war in dieser Studie nicht erlaubt.(6)

Unter Rofecoxib traten signifikant weniger gefährliche gastro-intestinale Komplikationen (Blutung, Perforation, Obstruktion) auf, nämlich 0,6 auf 100 Behandelte pro Jahr, während unter Naproxen 1,4 solche Ereignisse auf 100 Behandelte pro Jahr beobachtet wurden. Gesamthaft waren jedoch bedrohliche Nebenwirkungen unter Rofecoxib signifikant häufiger (bei 9,3%) als unter Naproxen (bei 7,8% der Behandelten).(7)

Diese Diskrepanz ist mit der Häufung von thrombotischen Gefässkomplikationen (vorwiegend Herzinfarkten) in der Rofecoxibgruppe erklärt: diese waren mehr als doppelt so häufig unter Rofecoxib wie unter Naproxen.

Rofecoxib hemmt im Gegensatz zu Naproxen die Plättchenaggregation nicht. Es ist daher denkbar (jedoch nicht nachgewiesen), dass die Häufung kardiovaskulärer Komplikationen unter Rofecoxib vermieden werden könnte, wenn Personen mit entsprechenden Risiken kleine Acetylsalicylsäure- Dosen erhielten. Auf Grund der Resultate der CLASSStudie ist jedoch gleichzeitig denkbar, dass diese Zugabe von Acetylsalicylsäure den gastro-intestinalen Vorteil vonRofecoxib zunichte machen würde. Die Resultate der VIGOR- Studie lassen einzig den Schluss zu, dass Rofecoxib gesamthaft mehr gefährliche Nebenwirkungen als Naproxen verursacht.

Machen wir uns nichts vor: Ulkuskomplikationen sind gefährlich, wohl die wichtigste Ursache iatrogener Todesfälle. Leider sind aber die beiden bisher verfügbaren selektiven COX-2-Hemmer ganz offensichtlich nicht die Lösung des Problems. Gefährliche Nebenwirkungen und Todesfälle waren in den beiden beschriebenen Studien unter Celecoxib und Rofecoxib gesamthaft sogar etwas häufiger als unter den «nicht-selektiven» Vergleichssubstanzen; ein wesentlicher (signifikanter) Unterschied ergab sich allerdings nur für Rofecoxib bezüglich der kardiovaskulären Nebenwirkungen. Rofecoxib, das gemäss der VIGOR-Studie weniger Ulkuskomplikationen verursacht, ist jedoch auch sonst nicht völlig frei von Risiken. So verfügt die FDA für den Zeitraum zwischen Mai 1999 und September 2000 über 37 Berichte zu gastro-intestinal bedingten Todesfällen im Zusammenhang mit Rofecoxib. Kurz: es gibt zur Zeit keine überzeugenden Gründe, weshalb wir statt «alten» Antirheumatika einen der «neuen» COX-2-Hemmer verschreiben sollten.

  1. Silverstein FE et al. JAMA 2000; 284: 1247-55 [Medline]
  2. http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/01/briefing/3677b1_03_med.pdf
  3. http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/01/briefing/3677b1_05_gi.doc
  4. http://www.ti.ubc.ca/PDF/43.pdf
  5. Jüni P et al. Br Med J 2002; 324 : 1287-8 [Volltext]
  6. Bombardier C et al. N Engl J Med 2000; 343: 1520-8 [Medline]
  7. http://www.fda.gov/ohrms/dockets/ac/01/briefing/3677b2_03_med.doc

NIMESULID

Nimesulid, ein nicht-steroidaler Entzündungshemmer, der sich besonders auf die Zyklooxygenase- 2 (COX-2) auswirkt, wurde bis vor wenigen Jahren vorwiegend zur symptomatischen Behandlung grippaler Infekte empfohlen. Heute gelten offiziell Arthrosen und andere Affektionen des Bewegungsapparates als Indikationen.

Übersichten zu Nimesulid:

Davis R, Brogden RN. Drugs 1994; 48: 431-54 [Medline]
Bennett A. Rheumatology (Oxford) 1999; 38 (Suppl 1):1-3 [Medline]

Markennamen: Aulin®, Nisulid®

 

Tödliche Hepatotoxizität

Eine 57jährige Frau, die wegen einer chronischen Lumbalgie täglich 100 mg Nimesulid einnahm, erkrankte zweieinhalb Monate nach Behandlungsbeginn mit allgemeinem Unwohlsein und Appetitlosigkeit. 11 Tage später trat ein Ikterus auf; die Patientin wurde dann mit einem ausgeprägten Ikterus und Fieber ins Universitätsspital Zürich eingeliefert. Es fand sich eine cholestatische Hepatitis und eine mässig eingeschränkte Nierenfunktion. Nimesulid wurde abgesetzt und eine Therapie mit Infusionen und Vitamin K begonnen. Die Patientin erholte sich jedoch nicht, sie wurde oligurisch, und es bildeten sich massive Ödeme und Aszites. Eine Leberbiopsie zeigte eine ausgedehnte hepatozelluläre Nekrose. Der Zustand der Frau verschlechterte sich weiter; sie starb nach 21 Tagen im Spital.

Merlani G et al. Eur J Clin Pharmacol 2001; 57: 321-6 [Medline]

Eine 70jährige Frau, deren Gonarthrose vorher lange Zeit mit Diclofenac (Voltaren® u.a.) behandelt worden war, nahm vorübergehend - während 5 Tagen - Nimesulid (2mal 100 mg/Tag). Zwei Wochen später musste sie wegen Ikterus und schlechtem Allgemeinzustand hospitalisiert werden. Laboruntersuchungen zeigten stark erhöhte Transaminasenwerte sowie eine «International Normalized Ratio» (INR) von 2,3. Eine Leberbiopsie ergab eine massive Leberzellnekrose mit entzündlichen Infiltraten. Innerhalb einer Woche kam es auch zu einer Verschlechterung der Nierenfunktion. Trotz Behandlung mit Steroiden, Ursodeoxycholsäure (z.B. De-Ursil®), Infusionen und schliesslich mit Hämodialyse verschlechterte sich der Zustand der Frau immer mehr, und sie starb nach 3 Wochen im Spital.

Schattner A et al. J Intern Med 2000; 247: 153-5 [Medline]

Bei einer 66jährigen Frau, die seit 4 Monaten wegen rheumatischen Beschwerden mit Nimesulid (2mal 100 mg/Tag) behandelt wurde, stiegen die Transaminasen gegenüber den früheren (normalen) Werten an. Darauf wurde die Nimesuliddosis auf die Hälfte reduziert; 4 weitere Monate später musste die Frau aber mit einem Ikterus, Erbrechen und Bauchschmerzen hospitalisert werden. Es fand sich eine stark gestörte Leberfunktion (erhöhte Bilirubin- und Transaminasenwerte, Quick 35%). Der Zustand der Frau verschlechterte sich rasch, und sie starb nach wenigen Tagen im Spital.

Andrade RJ et al. J Hepatol 2000; 32: 174 [Medline]

Oligoanurie bei Neugeborenem

Eine 31jährige Frau nahm seit der 26. Woche ihrer zweiten Schwangerschaft Nimesulid (2mal 100 mg/Tag). In der 32. Schwangerschaftswoche entwickelte sich plötzlich ein Oligohydramnion, das trotz Absetzen von Nimesulid weiterbestand. Die Geburt erfolgte mittels Kaiserschnitt. Das Neugeborene war von Anfang an oligoanurisch. Es musste mit einer Peritonealdialyse behandelt werden; eine am 20. Lebenstag durchgeführte Nierenbiopsie zeigte Glomeruli mit verspäteter Entwicklung und etwas Fibrose im Interstitium. Die Gefässe waren kaum sichtbar; eine Thrombose konnte nicht festgestellt werden. Zur Zeit des Berichtes war das Kind 9 Monate alt, immer noch oligurisch und wurde mit einem automatischen Peritonealdialyse-Programm behandelt. Da Nimesulid besonders die COX-2 hemmt und diese wahrscheinlich für die Organogenese der Niere wesentlich ist, nehmen die Autorinnen des Berichtes an, die Einnahme von Nimesulid sei für das Nierenversagen beim Neugeborenen verantwortlich.

Peruzzi L et al. Lancet 1999; 354: 1615 [Medline]

Photodermatitis

Bei einer 81jährigen Frau traten unter Nimesulid-Behandlung im Bereich des Halsausschnitts sowie an den Handrücken rote lichenoide Papeln und Plaques auf. Viele Papeln wiesen eine weissliche, feinretikuläre Zeichnung auf. Die Läsionen waren scharf begrenzt und verursachten mässig Juckreiz. Laboruntersuchungen ergaben keine abnormen Resultate. Eine Hautbiopsie zeigte eine lichenoide Dermatitis mit nekrotischen epidermalen Keratinozyten, Parakeratose und Eosinophilen. Nimesulid wurde abgesetzt und die Patientin lokal mit Kortikosteroiden behandelt. Innerhalb von 5 Tagen verschwanden die Hautveränderungen, traten jedoch bei der erneuten Verabreichung von Nimesulid wieder auf.

Tursen U et al. Int J Dermatol 2001 ; 40: 767-8 [Medline]

Nimesulid war in mehreren Ländern (z.B. Grossbritannien, Kanada, USA), in denen unerwünschte Wirkungen erfahrungsmäss relativ häufig und zuverlässig rapportiert werden, gar nie zugelassen. Dies ist möglicherweise der Grund, weshalb es so lange gebraucht hat, bis nun in den letzten Jahren vermehrt Berichte über lebensbedrohliche Leberschäden veröffentlicht worden sind. Zwar weisen alle nicht-steroidalen Entzündungshemmer ein gewisses hepatotoxisches Risiko auf; für Nimesulid ist dieses Risiko aber wahrscheinlich höher als für andere Antirheumatika. Entsprechend ist der Verkauf bereits in mehreren Ländern (Finnland, Spanien) «provisorisch» untersagt worden. Es wäre an der Zeit, dass auch die Schweizer Behörden entsprechende Massnahmen in Kraft setzten.

Standpunkte und Meinungen

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Nebenwirkungen aktuell (6. August 2002)
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pharma-kritik, 24/No. 4
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