Sunitinib
- Autor(en): Urspeter Masche
- pharma-kritik-Jahrgang 28
, Nummer 10, PK159
Redaktionsschluss: 15. Januar 2007
DOI: https://doi.org/10.37667/pk.2006.159 - PDF-Download der Printversion dieser pharma-kritik Nummer
Synopsis
Sunitinib (Sutent®) ist ein neuer Tyrosinkinase-Hemmer, der zur Zweittherapie bei gastrointestinalen Stromatumoren empfohlen wird.
Chemie/Pharmakologie
Sunitinib hemmt die Tyrosinkinasen von verschiedenen Wachstumsfaktor-Rezeptoren. Wachstumsfaktoren, denen Sunitinib auf diese Weise entgegenwirkt, sind zum Beispiel der «platelet-derived growth factor» (PDGF), der «vascular endothelial growth factor» (VEGF) sowie der «stem cell factor». Bei verschiedenen bösartigen Tumoren spielen eine verstärkte Expression solcher Wachstumsfaktoren bzw. Mutationen der Rezeptoren eine wichtige Rolle. Dazu gehören der gastrointestinale Stromatumor (GIST) und das Nierenzellkarzinom. Beim gastrointestinalen Stromatumor handelt es sich um ein Sarkom, das vor allem im Magen und im Dünndarm vorkommt und bei dem in inoperablen Fällen Imatinib (Glivec®) als Medikament der Wahl gilt, ebenfalls ein Tyrosinkinase-Hemmer, der ein etwas anderes Wirkungsspektrum hat als Sunitinib.(1-3)
Pharmakokinetik
Nach oraler Verabreichung von Sunitinib dauert es 6 bis 12 Stunden, bis Plasmaspitzenspiegel erreicht sind. Die biologische
Verfügbarkeit wird mit 70% angegeben. Der Abbau von Sunitinib sowie des daraus entstehenden Hauptmetaboliten erfolgt vor allem über CYP3A4. Der Hauptmetabolit ist ebenfalls pharmakologisch aktiv und trägt zur Wirkstoffexposition bei. Die Halbwertszeit beträgt 40 bis 60 Stunden für Sunitinib und 80 bis 110 Stunden für den Hauptmetaboliten. Bei Leber- oder Niereninsuffizienz ist die Pharmakokinetik nicht untersucht. (2,3)
Klinische Studien
Die Hauptstudie, die sich mit der Anwendung von Sunitinib beim fortgeschrittenen gastrointestinalen Stromatumor befasste, zählte 312 Personen, bei denen eine Erstbehandlung mit Imatinib wegen einer Resistenz oder Unverträglichkeit abgebrochen worden war. In Form von 6-wöchigen Zyklen mit jeweils 4-wöchiger Behandlung und 2-wöchiger Pause erhielten sie doppelblind Sunitinib (50 mg/Tag) oder Placebo. In der Sunitinib-Gruppe dauerte es im Median 27, in der Placebo- Gruppe 6 Wochen bis zum Fortschreiten des Tumors. Der Prozentsatz derjenigen, die mindestens ein halbes Jahr lang ohne Tumorprogression blieben, betrug bei Sunitinib 16%, bei Placebo 1%. Angesichts dieses Unterschieds wurde die Gruppenzuteilung vorzeitig entblindet und den Placebo-Behandelten eine Sunitinib-Therapie angeboten.(4)
Sunitinib wurde auch beim metastasierenden Nierenzellkarzinom geprüft. In einem bei 750 Personen durchgeführten Vergleich mit Interferon alfa-2a (Roferon®-A) erreichte man mit Sunitinib eine höhere Ansprechrate, was sich bei der medianen progressionsfreien Überlebenszeit mit einem Unterschied von 11 gegenüber 5 Monaten niederschlug.(5)
Unerwünschte Wirkungen
Unerwünschte Wirkungen
Häufige Nebenwirkungen von Sunitinib sind gastrointestinale Probleme (Diarrhoe, Übelkeit, Erbrechen, Stomatitis u.a.), Müdigkeit, Kopfschmerzen, Hautverfärbung, Geschmacksstörungen, Anorexie, Hautausschläge, Epistaxis und andere Blutungen, Blutdruckerhöhung, Leukopenie und Thrombozytopenie.(1,2)
In einer kleinen Beobachtungsstudie traten in einem hohen Prozentsatz Schilddrüsenfunktionsstörungen (TSH-Veränderungen, manifester Hypothyreoidismus) auf.(6) Sunitinib kann die linksventrikuläre Funktion beeinträchtigen und zu einem Absinken der Auswurfsfraktion führen. In einer Konzentrationen, die den therapeutischen Bereich um das Zweifache überschritt, sind auch Fälle von QT-Verlängerung vorgekommen.
Interaktionen
Hemmer oder Induktoren von CYP3A4 können den Sunitinib- Abbau so beeinflussen, dass eventuell eine Dosisanpassung
nötig ist. Auch P-Glykoprotein-Hemmer erhöhen möglicherweise die Sunitinib-Spiegel.
Dosierung, Verabreichung, Kosten
Sunitinib (Sutent®) ist als Kapseln zu 12,5, 25 und 50 mg erhältlich. Die Zulassung beschränkt sich auf gastrointestinale Stromatumoren, bei denen Imatinib nicht vertragen wird oder nicht mehr wirkt. Die normale Dosis beträgt 1-mal 50 mg/Tag. Bei Leber- oder Niereninsuffizienz sowie bei Herzinsuffizienz ist Vorsicht zu walten. Die Angiogenese hemmend, hat Sunitinib
eine potentiell schädigende Wirkung auf die embryofetale Entwicklung und sollte in der Schwangerschaft nicht verwendet werden; auch in der Stillzeit sollte auf Sunitinib verzichtet werden. Sunitinib ist kassenzulässig. Ein Zyklus mit 4-wöchiger Behandlung und 2-wöchiger Pause kostet 7978 Franken. (Eigenartigerweise enthält eine Packung 30 statt der für einen Zyklus benötigten 28 Kapseln.)
Kommentar
Sunitinib ist weiteres onkologisches Medikament, das in Palliativsituationen eine gewisse Lebensverlängerung verspricht. Ob
die Tyrosinkinase-Hemmer, die als zielgerichtete Therapie gepriesen werden, viel weniger Probleme verursachen als herkömmliche Zytostatika, bleibt abzuwarten. Jedenfalls scheinen auch bei Sunitinib spezifische toxische Effekte zum Beispiel
gegenüber Schilddrüse oder Herz zu bestehen.
Dass fortlaufend Krebsmittel auf den Markt kommen, die zwar höchstens einen medizinischen Grenznutzen haben, sich indessen teuer verkaufen lassen, hat einen guten Grund: da im Bereich von «Alltagskrankheiten» wie zum Beispiel der arteriellen Hypertonie aufgrund der Generikakonkurrenz ein grosser Preisdruck herrscht, verlagert die Pharmaindustrie ihre
Schwerpunkte auf Gebiete, wo die Gewinnaussichten weniger bedroht sind.
Literatur
- 1) Deeks ED, Keating GM. Drugs 2006; 66: 2255-66 2
- 2) http://www.fda.gov/cder/foi/label/2006/021968lbl.pdf
- 3) http://www.emea.eu.int/humandocs/PDFs/EPAR/sutent/068706en6.pdf
- 4) Demetri GD et al. Lancet 2006; 368: 1329-38
- 5) Motzer RJ et al. N Engl J Med 2007; 356: 115-24
- 6) Desai J et al. Ann Intern Med 2006; 145: 660-4
Standpunkte und Meinungen
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