Tadalafil

Tadalafil (Cialis®) wird zur Therapie der erektilen Dysfunktion empfohlen.

Chemie/Pharmakologie

Tadalafil ist wie Sildenafil (Viagra®) und Vardenafil (Levitra®) ein selektiver Hemmer des Phosphodiesterase-Typs 5 (PDE-5). Tadalafil unterscheidet sich aber in der chemischen Struktur von jenen beiden Substanzen und damit auch in der Hemmwirkung gegenüber anderen Phosphodiesterase-Typen, von denen insgesamt elf bekannt sind. Phosphodiesterasen sind in allen Geweben vorkommende Enzyme und katalysieren die Umwandlung von zyklischen Monophosphaten, die als «second messengers» fungieren, in inaktive Monophosphate. Der Typ 5 der PDE findet sich unter anderem in der glatten Muskulatur im Corpus cavernosum und fördert den Abbau von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP), das bei sexueller Stimulation gebildet wird. Das cGMP führt im Penis zu einer Vasodilatation und zu einer vermehrten Blutfüllung, was zur Erektion beiträgt. Durch Phosphodiesterasehemmer wird die Wirkung von cGMP verstärkt bzw. verlängert.

Pharmakokinetik

Nach oraler Verabreichung von Tadalafil dauert es zwischen 0,5 und 6 Stunden (Median: 2 Stunden), bis die maximale Plasmakonzentration erreicht ist. Die biologische Verfügbarkeit ist nicht bestimmt. Tadalafil wird in der Leber – hauptsächlich über das Zytochrom CYP3A4 – zu einem Katechol metabolisiert, das anschliessend methyliert und glukuronidiert wird. Nur die Muttersubstanz ist pharmakologisch aktiv. Die Metaboliten werden in erster Linie über den Stuhl, zum Teil auch mit dem Urin ausgeschieden. Die Halbwertszeit liegt bei 17,5 Stunden, bei Männern über 65 Jahren wegen verminderter Clearance bei etwa 22 Stunden. Bei leichtgradiger Leberinsuffizienz und einer mittleren Dosierung fand sich keine wesentlich verlangsamte Elimination; bei fortgeschrittenen Leberkrankheiten wurde Tadalafil nicht geprüft. Eine eingeschränkte Nierenfunktion lässt die Fläche unter der Konzentrations-Zeit-Kurve (AUC) je nach Schweregrad um das 2- bis 4-fache ansteigen.1

Klinische Studien

In den klinischen Studien ist Tadalfil bis anhin bei über 4000 Männern eingesetzt worden. Bei den kontrollierten Studien handelt es sich grossenteils um doppelblinde Vergleiche mit Placebo. Für diese Untersuchungen wurden Männer rekrutiert, bei denen seit mindestens drei Monaten eine erektile Dysfunktion bestand. Zur Beurteilung der Wirksamkeit dienten einschlägige Messinstrumente: einerseits die sechs Fragen aus dem «International Index of Erectile Function Questionnaire » (IIEF), mit denen die Erektionsfähigkeit ermittelt wird und die sich zu einem Ergebnis von 6 bis 30 Punkten addieren (unter 26 Punkte definiert eine erektile Dysfunktion); andererseits das «Sexual Encounter Profile» (SEP), bei dem unter anderem zu beantworten ist, ob eine Erektion kräftig genug für eine Penetration war und bis zum Orgasmus aufrechterhalten werden konnte.

Die Resultate von fünf placebokontrollierten Studien, die sich über 12 Wochen erstreckten und ein Gesamtkollektiv von über 1100 Männern zählten, finden sich in einer Publikation zusammengefasst. Tadalafil wurde in diesen Studien in verschiedenen Dosen getestet. Die Zeitdauer zwischen Tabletteneinnahme und sexueller Aktivität war jeweils nicht festgelegt worden. Gemäss den Auswertungen der IIEF- und SEP-Fragen half Tadalafil signifikant besser als Placebo, wobei die Wirkung dosisabhängig war. Unter Placebo berichteten 35% der Männer über eine verbesserte Erektionsfähigkeit; bei Tadalafil waren es 67% mit einer Dosis von 10 mg und 81% mit 20 mg.2 In einer Doppelblindstudie wurden bei 411 Männern Placebo und zwei verschiedene Tadalafil-Dosen (10 und 20 mg) direkt miteinander verglichen; die eine Hälfte der Teilnehmer wurde instruiert, jeweils eine Tablette 24 Stunden vor geplanter sexueller Aktivität einzunehmen, die andere Hälfte 36 Stunden vorher. Die durchschnittliche Zahl der Geschlechtsakte, die dank einer genügend starken Erektion als erfolgreich bewertet wurden, liess sich mit Placebo nach 24 Stunden von 32 auf 42% und nach 36 Stunden von 31 auf 33% steigern; mit 10 mg Tadalafil erhöhten sich die Prozentsätze von 30 auf 56% bzw. von 32 auf 56%, mit 20 mg Tadalafil von 21 auf 67% bzw. von 33 auf 62%.3 Eine andere placebokontrollierte Studie zeigte ebenfalls, dass sich der Anteil Männer, die über einen erfolgreichen Geschlechtsverkehr berichten können, mit Hilfe von Tadalafil um das 1,5- bis 2-fache erhöht und dass die Wirkung von Tadalafil 36 Stunden anzuhalten vermag.4

Bei Männern, bei denen wegen eines Karzinoms eine radikale Prostatektomie durchgeführt worden war, lag die Quote von genügend starken, bis zum Orgasmus reichenden Erektionen unter 20 mg Tadalafil signifikant höher als unter Placebo.5 Auch Patienten mit Typ-1- oder Typ-2-Diabetes kann Tadalafil helfen: so gaben 64% der Männer, die Tadalafil in einer Dosis von 20 mg nahmen, eine geringere erektile Dysfunktion an, während es in der Kontrollgruppe nur 25% waren.6 In einer kleinen Studie mit 28 Männern, die eine Rückenmarksverletzung erlitten hatten, verglich man 10 mg Tadalafil mit 50 mg Sildenafil. Die Teilnehmer wurden angewiesen, zwischen Tabletteneinnahme und sexueller Aktivität verschiedene Fristen verstreichen zu lassen. Wenn zwischen Tabletteneinnahme und sexueller Aktivität weniger als 12 Stunden lagen, führten beide Medikamente zu einem ähnlichen Ergebnis; nach 12 Stunden war die Chance eines erfolgreichen Geschlechtsverkehrs mit Tadalafil aber höher als mit Sildenafil.7

Unerwünschte Wirkungen

Zu den häufigsten Nebenwirkungen von Tadalafil gehören Kopfschmerzen, Vasodilatation mit «Flush», verstopfte Nase, Dyspepsie, Myalgien und Rückenschmerzen. Auch spontane, zum Teil schmerzhafte Erektionen kommen vor. Wie alle Phosphodiesterasehemmer hat Tadalafil blutdrucksenkende Eigenschaften, was vor allem in Kombination mit anderen Medikamenten Probleme verursachen kann (siehe unter «Interaktionen »). Störungen des Farbsehens scheinen bei Tadalafil – weil es den in der Retina lokalisierten Phosphodiesterase-Typ 6 (PDE-6) weniger hemmt – seltener vorzukommen als bei den beiden anderen Phosphodiesterasehemmern. Hingegen ist bei zwei Patienten unter Tadalafil eine ischämische Optikusneuropathie mit Gesichtsfeldausfällen aufgetreten8,9 – eine Nebenwirkung, die auch für andere Phosphodiesterasehemmer beschrieben ist und die amerikanische FDA im Juli 2005 zu einem Warnhinweis veranlasst hat.10

Interaktionen

Die Kombination von Tadalafil mit Nitraten oder Molsidomin (Corvaton® u.a.) ist wegen potentiell gefährlicher Hypotonien kontraindiziert. Ebenso ist Vorsicht geboten, wenn Tadalafil zusammen mit anderen blutdrucksenkenden Mitteln – namentlich mit Alphablockern – verabreicht wird. Substanzen, die das Zytochrom CYP3A4 induzieren (z.B. Rifampicin) oder hemmen (z.B. Makrolide, Azol-Antimykotika), führen zu entsprechenden Veränderungen der Tadalafil-Konzentrationen; so hat die Kombination von Tadalafil mit Itraconazol (Sporanox®) bei einem Patienten einen Priapismus ausgelöst.11

Dosierung/Verabreichung/Kosten

Tadalafil (Cialis®) ist als Filmtabletten zu 10 und 20 mg erhältlich. Es wird von den Krankenkassen nicht vergütet. Tadalafil kann, pro Tag maximal einmal, eine halbe bis 36 Stunden vor geplanter sexueller Aktivität eingenommen werden. Die empfohlene Dosis beträgt 10 mg; wenn diese Dosis nicht genügend wirkt, kann sie – bei normaler Leber- und Nierenfunktion – auf 20 mg erhöht werden. Männer, die an einer relevanten Herz-Kreislauf-Erkrankung oder an einer fortgeschrittenen Leberinsuffizienz leiden, sollen kein Tadalafil verwenden. Bei Frauen gibt es keine Indikation für Tadalafil. Eine Tablette Tadalafil kostet unabhängig von der Dosis CHF 21.15 (Packung zu 4 Tabletten); die 20-mg-Tablette ist in einer grösseren Packung erhältlich und dann etwas billiger. Die Konkurrenzpräparate Sildenafil (Viagra®) und Vardenafil (Levitra®) haben ähnliche Preise.

Kommentar

Solange man keine aussagekräftigen Direktvergleiche zur Hand hat, ist an Tadalafil gegenüber Sildenafil und Vardenafil nichts nennenswert Neues zu erkennen. Der Hauptunterschied liegt darin, dass Tadalafil eine viel längere Halbwertszeit besitzt; dies erlaubt eine grössere zeitliche Flexibilität, indem man zwischen Tabletteneinnahme und Geschlechtsverkehr eine viel längere Frist verstreichen lassen kann. Welchen Vorteil dies bedeutet, sei in den Raum gestellt – dass jemand eine potenzfördernde Pille nimmt, weil er in den nächsten 24 bis 36 Stunden mit Sex rechnet, erscheint als eine etwas gar mechanistische Vorstellung. Sicher ist jedenfalls auch, dass mit der verlängerten Exposition das Risiko von Nebenwirkungen zunimmt. Schwieriger als bei den Konkurrenzprodukten wird einem bei Tadalafil das Sparen gemacht, da sich die Tabletten wegen ihrer Tropfenform mit üblichen Hilfsmitteln kaum akkurat teilen lassen; wem der Aufwand lohnt, findet aber im Internet für wenige Dutzend Franken einen eigens für Tadalafil konstruierten «pill splitter».

Standpunkte und Meinungen

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Tadalafil (28. Juli 2005)
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pharma-kritik, 27/No. 1
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