Behandlung des akuten Lungenödems

Die Behandlung eines akuten kardiogenen Lungenödems, bisher noch nie in unserer Zeitschrift besprochen, war ein Thema in der Ausgabe vom April 2017 des «Australian Prescriber».(1) Dieser Text wird im Folgenden zusammengefasst.

Ein akutes Lungenödem als Manifestation einer dekompensierten Herzinsuffizienz, charakterisiert durch eine schwere Dyspnoe und Hypoxie, erfordert eine notfallmässige Behandlung. Oft ist eine Spitaleinweisung notwendig und die langfristige Prognose der betroffenen Personen ist nicht gut: in einer prospektiven Beobachtungsstudie betrug die Einjahres-Mortalität etwa 40%.(2) Es gibt zwar verschiedene Richtlinien zur Therapie des Lungenödems;(3,4) diese basieren jedoch mehrheitlich auf Expertenmeinung und weniger auf zuverlässiger Evidenz. Als Behandlungsziele können die Besserung der Symptome und der Sauerstoffversorgung, das Aufrechterhalten der Herzleistung und der Durchblutung wichtiger Organe sowie die Verminderung der Belastung durch ein überreichliches extrazelluläres Volumen definiert werden.  

Nitrate

Nitrate sind gemäss einer Cochrane-Analyse beim Lungenödem bezüglich kardiovaskulärer Folgen (Blutdruckveränderungen, koronare Ereignisse u.a.) ähnlich wirksam wie Furosemid (Lasix® u.a.).(5) Niedrige Nitratdosen reduzieren die Vorlast, da sie zu einer venösen Dilatation führen. Höhere Dosen führen zudem zur Erweiterung der Arteriolen und reduzieren so die Nachlast. Die koronare Durchblutung wird dank der erweiterten Koronargefässe verbessert.

Nitrate können über die Mundschleimhaut (sublingual als Kapsel oder Spray) sowie intravenös verabreicht werden, wobei sich die Dosis mit der letzteren Applikation genauer titrieren lässt. Bei Kranken mit einem systolischen Blutdruck unter 90 mm Hg und bei einer schweren Aortenstenose sind sie kontraindiziert. Zu beachten ist auch die Interaktion mit Phosphodiesterasehemmern – z.B. Sildenafil (Viagra® u.a.) – , die zu einem plötzlichen starken Blutdruckabfall führen kann. Nitrate verursachen oft Kopfschmerzen und manchmal eine Beschleunigung (oder paradoxe Verlangsamung) der Herzfrequenz. Bei kontinuierlicher Verabreichung kommt es nach 16 bis 24 Studen zur Toleranzentwicklung.

Schleifendiuretika

In der Regel wird Furosemid – in der Schweiz das einzige für die intravenöse Verabreichung verfügbare Schleifendiuretikum – verwendet. Eine initiale Bolusinjektion von 20-40 mg kann, wenn nötig, schon nach 20 Minuten wiederholt werden. Bei Personen, die bereits vorher Diuretika erhalten haben oder bei solchen mit einer chronischen Niereninsuffizienz kann eventuell eine Dosis von 80 mg gewählt werden. Wird Furosemid infundiert, so sollte diese mit einer Dosis von 5 bis 10 mg/Stunde begonnen werden.

Unter Furosemid kann die Nierenfunktion etwas abnehmen. In einer Doppelblindstudie («DOSE») wurde bei Kranken mit einer dekompensierten Herzinsuffizienz nach der besten Verabreichungs-Strategie für Furosemid gesucht: es ergaben sich hinsichtlich der Symptome und der Nierenfunktion keine signifikanten Unterschiede zwischen der Bolus- und der Infusionsmethode, auch nicht zwischen niedrigeren und höheren Dosen.(6)   

Morphin

Traditionell wurde beim Lungenödem gern Morphin verwendet, da es die Dyspnoe lindern kann. Dieser Effekt beruht möglicherweise auf einer Reduktion der Sympathikus-Aktivität oder der Dyspnoe-bedingten Nervenbelastung. Andere Wirkmechanismen (Vorlast-Verminderung?) gelten nicht als gesichert.

Die unerwünschten Wirkungen von Morphin (zentralnervöse und respiratorische Depression) sind jedoch bedeutsam. Gemäss einer retrospektiven Analyse von mehr als 147'000 Herzinsuffizienz-bedingten Spitalaufnahmen erging es den Kranken, die Morphin erhielten, signifikant schlechter als denjenigen, die nicht mit Morphin behandelt wurden. Mit Morphin Behandelte benötigten häufiger Intensivpflege und hatten eine viel höhere Mortalität, obwohl sie sich primär nicht relevant von den anderen Kranken unterschieden.(7)

Da keine Studien vorliegen, die für Morphin sprechen würden, gehört Morphin beim Lungenödem nicht mehr zur routinemässigen Therapie. In Einzelfällen kann es mit entsprechender Vorsicht doch einmal zur Symptomlinderung eingesetzt werden.

Sauerstoff / nicht-invasive Beatmung

Im Sitzen fällt das Atmen leichter – wenn sich also eine Person nicht bereits spontan in eine sitzende Position gebracht hat, sollte man ihr diese sogleich empfehlen.

Die Gabe von Sauerstoff ist nur sinnvoll, wenn die Sauerstoffsättigung unter 92% liegt. Zu hohe Sauerstoffwerte können zu einer Vasokonstriktion und reduzierter Herzleistung führen. Wenn indiziert, kann Sauerstoff über eine Nasenkanüle oder über eine Maske verabreicht werden, wobei eine Sauerstoffsättigung zwischen 92 und 96% angestrebt werden soll. Bei Personen mit einer chronisch-obstruktiven Lungenkrankheit (COPD) wird eine Sauerstoffsättigung im Bereich von 88 bis 92% empfohlen.

Eine nicht-invasive Beatmung – mittels «continuous positive airway pressure» (CPAP) oder «bi-level positive airway pressure» (biPAP) – ist bei anhaltender Dyspnoe, Azidose oder Hypoxie indiziert. Die beiden Verfahren sind gemäss einer systematischen Übersicht gleichwertig.(8) Gemäss einer Meta-Analyse von 34 Studien reduziert eine nicht-invasive Beatmung die Mortalität beim akuten kardiogenen Lungenödem.(9) Eine Intubation ist dagegen nur ganz selten notwendig und bringt verschiedene Probleme mit sich.

Inotrope Medikamente

Die intravenöse Verabreichung von inotropen Medikamenten ist nur indiziert, wenn eine Hypotonie mit ungenügender Durchblutung wichtiger Organe vorliegt. Sie kann zu einer Verlängerung des Spitalaufenthalts und zu erhöhter Mortalität beitragen.

Dobutamin (Dobutrex® u.a.) ist in diesen Fällen die erste Wahl. Neben seiner positiv inotropen Wirkung führt Dobutamin auch zu einer peripheren Vasodilatation. Es kann deshalb zu einem Blutdruckabfall kommen, der behandelt werden muss. Dobutamin ist aufgrund seiner arrhythmogenen Eigenschaften bei Personen mit einem raschen Vorhofflimmern oder mit Kammerarrhythmien kontraindiziert.

Milrinon (Corotrop® u.a.) hat zwar positiv-inotrope Eigenschaften und kann die periphere Perfusion verbessern. Diese Substanz soll nur kurzfristig eingesetzt werden, wenn andere Mittel versagen. Eine systematische Übersicht, die 16 randomisierte Studien berücksichtigt, kommt zum Schluss, dass Milrinon aktuell weder empfohlen noch definitiv abgelehnt werden kann.(10)

Nachsorge

Wenn das akute Lungenödem erfolgreich behandelt wurde, ist es wichtig, sich um mögliche Ursachen der Dekompensation zu kümmern. Auch Medikamente – beispielsweise nicht-steroidale Entzündungshemmer, Verapamil oder Diltiazem – können das Problem verschlimmert haben. Entsprechend den Ursachen soll die längerfristige Therapie individuell optimiert werden.

Ergänzende Lektüre

In pharma-kritik:

Medikamentöse Therapie der Herzinsuffizienz – 2003 verfasst, aber immer noch lesenswert

In infomed-screen:

Betablocker sind bei Herzinsuffizienz für alle gut – eine grosse Meta-Analyse zeigt die Vorteile der Behandlung mit Betablockern

Antirheumatika als Ursache einer Herzinsuffizienz – bei Personen mit einer eingeschränkten linksventrikulären Funktion ist Vorsicht angezeigt

Standpunkte und Meinungen

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Behandlung des akuten Lungenödems (6. März 2018)
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